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Blumen auf der Promenade des Anglais in Nizza.

© AFP

Der Attentäter von Nizza: Blitzartig für den Anschlag radikalisiert

Der Attentäter von Nizza, Mohamed Lahouaiej-Bouhlel, hat sich offenbar in sehr kurzer Zeit radikalisiert. Experten verweisen auf ähnliche Beispiele in der Vergangenheit.

Von Frank Jansen

Nach dem Anschlag in Nizza halten es auch deutsche Sicherheitskreise für denkbar, dass der Täter in einer „Blitzradikalisierung“ zum militanten Islamisten mutiert sei. „Das ist grundsätzlich plausibel“, sagte ein hochrangiger Experte am Montag dem Tagesspiegel. „Wenn einer mit seiner Umwelt Probleme hat und bereits Gewalttaten verübt hat, kann die Radikalisierung sehr schnell gehen, wenn er von einem islamistischen Agitator auf der Straße, in einer Moschee oder im Internet angesprochen wird.“ Da seien keine drei Jahre oder drei Monate nötig, „da können drei Tage reichen“. Der Experte erwähnt zudem die „Turboradikalisierung“ bei Brandstiftern in Deutschland, die Flüchtlingsheime anzünden, aber zuvor nichts mit der rechten Szene zu tun hatten.

Der französische Innenminister Bernard Cazeneuve hatte am Sonnabend geäußert, der Attentäter Mohamed Lahouaiej-Bouhlel habe sich sehr schnell radikalisiert. Offenbar bezog sich der Minister auf Angaben von Bekannten des Täters. Sie hatten bei der Polizei von extremistischen Reden gesprochen, mit denen sich Lahouaiej-Bouhlel seit etwa zwei Wochen hervorgetan haben soll. Bislang haben Sicherheitsbehörden und Justiz in Frankreich allerdings noch keine eindeutige Stellungnahme abgegeben. Die Terrormiliz IS hatte sich am Sonnabend zum Anschlag bekannt und behauptet, der Täter sei einer ihrer „Soldaten“ gewesen.

Der Fall Arid Uka

Deutsche Sicherheitsexperten verweisen auf den Fall Arid Uka. Der junge Kosovare hatte im März 2011 am Frankfurter Flughafen zwei US-Soldaten erschossen und zwei weitere schwer verletzt. Uka habe zwar schon einige Zeit vor der Tat begonnen, sich zu radikalisieren, doch er habe sich zur „Bestrafung“ amerikanischer Soldaten für „Verbrechen der US-Armee“ im Irak erst Stunden zuvor entschlossen. Der Kosovare hatte sich in der Nacht salafistische Hetzvideos angeschaut und sich derart aufgeputscht, dass er am Morgen mit einer Pistole aus der elterlichen Wohnung zum Flughafen fuhr.

Im Fall Nizza seien ein unpolitischer Amoklauf genauso wie eine Blitzradikalisierung denkbar, sagte am Montag Thomas Mücke, Geschäftsführer des Berliner Violence Prevention Network. Der Verein befasst sich mit jungen Menschen, die entweder gefährdet sind, in Extremismus abzudriften oder dort schon stecken. Mücke hält in Nizza folgendes Szenario für möglich: Ein Rekrutierer des IS spricht gezielt den in seiner Umgebung als gewalttätig bekannten Lahouaiej-Bouhlel an. Der Agitator der Terrormiliz redet mit dem Tunesier über dessen schwieriges Leben und bringt ihm nahe, der finale Ausweg könnte ein spektakulärer Anschlag sein. Außerdem lockt der Rekrutierer mit Geld.

Es falle auf, dass Lahouaiej-Bouhlel kurz vor der Tat sein Bankkonto aufgelöst und 100 000 Euro an die Familie in Tunesien überwiesen habe, sagte Mücke. Ihm sei bekannt, dass der IS in seiner Agitation Geld einsetzt, auch um Jugendliche zur Ausreise nach Syrien zu bewegen. Außerdem suche der IS gezielt nach frustrierten Personen mit viel Hass, um sie zu instrumentalisieren.

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