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Politik: Der Auftrag

Von Stephan-Andreas Casdorff

Es ist entschieden, eine historische Mission kann sich erfüllen. Die frei gewählten deutschen Volksvertreter, die Vertreter einer in Jahrzehnten nach dem Zweiten Weltkrieg gefestigten Demokratie, fest verankert in Europa und in der westlichen Wertegemeinschaft, haben sich mit großer Mehrheit dafür ausgesprochen, dass die Bundeswehr Frieden im Nahen Osten sichern hilft. Sechzig Jahre danach.

Ja, es ist ein besonderer Tag. Mit einem besonderen Auftrag für die bundesdeutsche Parlamentsarmee: Auf See, vor dem Libanon, zu patroullieren und Waffenschmuggel für die Hisbollah, die Feinde Israels, zu unterbinden, ist eine für den Frieden notwendige, eine verdienstvolle Aufgabe. Sie ist des Einsatzes aller Kraft und dazu aller Ehren wert. Und so handelt diese Bundesregierung. Sie hat drei Gründe, die zumal für das wiedervereinigte Land maßgebend sind. Erstens: Deutschland trägt die moralische Verantwortung für die Gräuel des Weltkriegs und darf eine Wiederholung nur wenige Stunden entfernt nicht zulassen. Zweitens: Europa muss allen weltpolitischen Gefahren so weit wie möglich gemeinsam begegnen. Drittens: Die Interessen des Landes als vollwertiges Mitglied der Weltgemeinschaft erfordern die Übernahme internationaler Verantwortung. Formuliert wurden diese drei Punkte zum ersten Mal 1999, im Frühjahr, als sich die Bundeswehr an der Nato-Militäraktion im Kosovo beteiligte. Sie sind das außenpolitische Vermächtnis von Bundeskanzler Gerhard Schröder, und seine Nachfolgerin hat es angenommen. Jetzt. Endlich.

Wie richtig die Entscheidung ist, hat sich bereits gezeigt. Ohne den Beschluss der internationalen Gemeinschaft, ihre Truppe, die Unifil, zu verstärken, gäbe es heute keinen Waffenstillstand. Wegen des Beschlusses hat Israel seine Luft- und Seeblockade des Libanon aufgehoben. Und zum ersten Mal seit 1975 steht die libanesische Armee im Südlibanon. Historisch ist außerdem, dass Israel erstmals der Internationalisierung eines Grenzkonflikts zustimmt, eine robuste UN-Truppe an seiner Grenze akzeptiert. Das zeigt Vertrauen in die Staatengemeinschaft – und birgt eine große Chance für die Zukunft: für die Lösung des israelisch-palästinensischen Dauerkonflikts. Überdies erhöhen sich die Chancen auf eine Konferenz für Sicherheit und Zusammenarbeit in Nahost. Bemerkenswert ist, dass im Parlament nicht die Bundeskanzlerin, sondern eine Frau ohne Regierungsmacht die Aufmerksamkeit darauf lenkte, die frühere Staatsministerin im Außenamt Kerstin Müller.

Nun ist es vorerst an der Bundeswehr. Sie wird nicht allein gelassen, sondern kann sich der Rückendeckung derer sicher sein, die sie entsenden. 442 Abgeordnete sind es. Es wird schwierig genug werden, der Einsatz birgt Tücken, die Kooperation mit dem Libanon im Fall, dass Waffen entdeckt werden, offenbart Lücken. Aber vor operativen Problemen darf keiner zurückschrecken. Wer klare Begriffe hat, kann befehlen. Der Befehl ist klar: Helft dem Frieden!

Schon gar, weil es eine große Koalition ist, die die Bundesregierung gebeten hat, dass Deutschland sich beteiligen möge, politisch und auch militärisch: die israelische Regierung, die israelische Friedensbewegung, die beteiligten arabischen Regierungen. Und hierzulande ist es der Zentralrat der Juden. Dieses Vertrauen ist Auszeichnung und Verpflichtung. Wer die Verpflichtung ablehnt, verkennt die historische Bedeutung. Die Nein-Stimmen an diesem Tag fallen deshalb auf die zurück, von denen sie kommen.

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