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Politik: "Der Balkan spricht erstmals mit einer Stimme"

Seit dem 1 Juli 1999 ist Bodo Hombach Koordinator des EU-Stabilitätspakts für Südosteuropa. Zum Jahresende gibt der SPD-Politiker sein Amt auf und wechselt in die Geschäftsführung des WAZ-Zeitungskonzerns in Essen.

Seit dem 1 Juli 1999 ist Bodo Hombach Koordinator des EU-Stabilitätspakts für Südosteuropa. Zum Jahresende gibt der SPD-Politiker sein Amt auf und wechselt in die Geschäftsführung des WAZ-Zeitungskonzerns in Essen. Seine Erfahrungen auf dem Balkan hat er in einem Zehn-Punkte-Papier zusammengefasst, das wir nachfolgend dokumentieren.

1. Die Region braucht eine Vision. Sie heißt Europa. Perspektive der EU-Mitgliedschaft gibt den stärkst möglichen Anreiz zur Versöhnung, regionaler Zusammenarbeit und inneren Reformen in der Region. Es gibt keine Alternative zur Europäisierung der Region.

2. Krisenprävention ist Kostenprävention. Südosteuropa muss auf der internationalen Agenda bleiben. Der Aufbau einer Friedenszone in Südosteuropa erfordert einen langen Atem. Der Friede in Europa wird hier zuerst gesichert werden. Dafür braucht Europa ein politisch-ökonomisch-sicherheitspolitisches Gesamtkonzept. Der Stabilitätspakt reflektiert dieses Konzept - er wird erst überflüssig werden, wenn die Europäisierung in allen Ländern der Region unumkehrbar ist. Wer keine Stabilität exportiert, wird Instabilität importieren. Südosteuropa darf angesichts neuer außenpolitischer Prioritäten nicht ins Abseits geraten.

3. Die regionale Zusammenarbeit im Rahmen des Stabilitätspaktes trägt bereits Früchte. Erstmals sprechen die Staaten der Region mit einer Stimme. Die Einigung auf eine Freihandelszone und das Abkommen zur Flüchtlingsrückkehr zwischen ehemaligen Kriegsgegnern zeigen dies. Gute Nachbarschaft ist heute in der Region als europäische Kernkompetenz anerkannt.

4. Geld ist nicht alles. Die gezielte Förderung konkreter Projekte und ihre zeitgerechte Implementierung sind ebenso wichtig. "Es gibt nichts Gutes, außer man tut es." Die Bilanz ist aber gemischt: Die Umsetzung des Schnellstartpakets war zügiger als in Geberprozessen üblich. Defizite erklären sich durch Bürokratie und Langsamkeit auf Geberseite und schleppende Reformen in den Empfängerstaaten. Die Ursachen liegen also meist auf beiden Seiten (zum Beispiel Nichträumung der Donau). Falsche Versprechungen - Zusagen, die nicht umgesetzt werden - sind schädlich. Sie drohen, die Aufwärtsspirale von Hoffnung und Zuversicht in eine Abwärtsspirale von Enttäuschung und Resignation umzukehren.

5. Aufbau der Wirtschaft in Südosteuropa setzt Kreativität in der Schuldenfrage voraus. Wirtschaftshilfe darf nicht allein oder vorwiegend durch Schuldentilgung aufgefressen werden - dies bremst die Wirtschaftsentwicklung und hemmt die Motivation. Wir müssen über neue Mechanismen nachdenken, wie Rückzahlungen wieder in Investitionen in die Schuldnerländer zurückfließen können (nach dem Modell "debt for nature" ein "debt for investment").

6. Auch die EU muss sich konzeptionell weiterentwickeln. Stabilisierungs- und Assoziierungsprozeß und die Erweiterungsstrategie müssen harmonisiert und miteinander verschränkt werden. Was tun, wenn Westbalkanstaaten (SAP-Staaten), etwa Kroatien, zu den Beitrittskandidaten aufschließen? Und: die Konditionalität des Beitrittsprozesses darf keine neuen Trennlinien in der Region schaffen, beispielsweise bei den Anforderungen von Grenz- und Visa-Regimen - diese hemmen die regionale Zusammenarbeit.

7. Europäisches Krisenmanagement muss weiterentwickelt werden. Mazedonien zeigt, dass bei akuter Gewaltandrohung die langfristig angelegte Generalprävention allein nicht ausreicht. EU und Nato müssen zusammenarbeiten und frühzeitig die "rote Linie im Sand" markieren, damit frühzeitig Gewalt eingedämmt werden kann.

8. Der Hauptimpuls für das Wohlergehen der Region muss von den Beteiligten selbst kommen. Zuallererst stehen die Politiker in der Region in der Verantwortung, Reformen energischer umzusetzen. Europa und der Stabilitätspakt können und müssen diese Prozesse aber weiter unterstützen und positiv verstärken.

9. Europa muss erwachsen werden. Konkurrenzdenken, intransparente Verfahren und institutionelle Konkurrenz in der EU bremsen die Entwicklungen einer effektiven Südosteuropa-Strategie. Wollen die Institutionen und Partner wirklich koordiniert werden? Der Stabilitätspakt versteht sich als treibende Kraft, Abstimmungsprozesse zu beschleunigen.

10. Transatlantischer Schulterschluß und Einbindung Rußlands: Europa muss sich mit seinen wichtigsten Partnern in der Südosteuropapolitik abstimmen. Der Stabilitätspakt bietet ein Forum der Zusammenarbeit, das auch die G 8 einbindet. Er ermöglicht die Koordinierung bi- und multilateraler Partner in der Balkanpolitik.

Bodo Hombach

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