zum Hauptinhalt
Horchen und Gucken. Und dann erwischt werden. Der BND (hier die neue Zentrale in Berlin) hatte ein Leck. Und dann ein Erklärungsproblem.

© imago stock&people

Der BND und die Türkei: Schaden aller Orten

Ein blamierter Minister, eine Kanzlerin, die an ihren Worten festhalten will und ein Kontrollgremium, das wieder nur hinterherhinkt: die bekanntgewordenen Aktivitäten des BND in der Türkei verursachen Schaden in mehreren Bereichen.

Kleinreden ist eine riskante Taktik. Denn man läuft Gefahr, bloßgestellt zu werden, sich zu blamieren, wenn sich am Ende alles als anders herausstellt. Bundesinnenminister Thomas de Maizière (CDU) widerfährt das gerade. Im Juli war bekannt geworden war, dass Markus R., Mitarbeiter des Bundesnachrichtendienstes (BND), als Agent für den US-Geheimdienst tätig war. Der Christdemokrat sagte darauf, der entstandene Schaden durch die Weitergabe von Informationen sei „lächerlich“. Vielleicht ist der politische Schaden auch gar nicht extrem groß, nur lächerlich ist er auf keinen Fall.

Denn die Bundesregierung muss nun erklären, warum sie den Nato-Partner Türkei allem Anschein nach zum Beobachtungsobjekt für den BND erklärt hat. Auch hinterlassen Berichte darüber, dass der BND Telefonate von Ex-US-Außenministerin Hillary Clinton und dem amtierenden US-Außenminister John Kerry abgefangen habe, Fragen. Offiziell wollte die Bundesregierung entsprechende Berichte nicht bestätigen, aber auch nicht dementieren. Die Informationen stammen aus Unterlagen, die Markus R. an die Amerikaner weitergegeben hat.

Auch die Parlamentarische Kontrolle trägt Schaden davon

Schädlich ist das Bekanntwerden natürlich, weil die Türkei verärgert ist und die Amerikaner sich die Hände reiben dürften angesichts der bisher lauten Kritik an den NSA-Aktivitäten aus Deutschland. Kanzlerin Angela Merkel (CDU) war es, die betont hatte: Ausspähen unter Freunden gehe gar nicht. Am Rande ihres Besuchs in Lettland verteidigte sie diesen Satz. Der sei damals „in einem erkennbaren Kontext“ gefallen. „Es ging um die Vereinigten Staaten von Amerika.“ Nicht also um die Türkei.

Doch schädlich ist das ganze auch, weil einmal mehr deutlich wird, dass die parlamentarische Kontrolle der Geheimdienste nicht funktioniert hat. Eine Sprecherin der Bundesregierung betonte am Montag, dass man das Parlamentarische Kontrollgremium sehr wohl über einen Teil dessen, worüber derzeit diskutiert werde, im Juli informiert habe. Der Vorsitzende des Kontrollgremiums, Clemens Binninger (CDU), sagte der Nachrichtenagentur dpa: „Es stimmt, dass wir in Teilen auf Sachverhalte hingewiesen wurden, aber sehr abstrakt und ohne Nennung von Namen.“ Sein Stellvertreter Andre Hahn (Linke) wird deutlicher. „Wir sind als Kontrollgremium weder über mutmaßlich abgehörte Telefonate von Hillary Clinton oder John Kerry informiert worden noch über BND-Aktivitäten gegen die Türkei als Ganzes“, sagte er dem Tagesspiegel. Bei den Sitzungen im Juli sei lediglich die Beobachtung von Dschihadisten, die über die Türkei nach Syrien ein- und ausreisen, ein Thema gewesen.

Abgeordnete erhalten Einblick in entwendete Unterlagen des ehemaligen BND-Mitarbeiters

Fünf dicke Ordner mit über 200 Dokumenten soll Markus R. aus dem BND geleitet haben. Darunter auch das sogenannte „Auftragsprofil“ des BND. Darin wird festgelegt, welche Staaten und welche Ziele der Dienst beobachten soll, darunter eben mutmaßlich auch die Türkei. Das jetzt in Rede stehende Profil stammt aus dem Jahr 2009 und wurde 2011 aktualisiert. In der Regel tragen das Innen-, Verteidigungs- und Wirtschaftsministerium sowie das Auswärtige Amt unter Federführung des Kanzleramtes ihre Vorstellungen zusammen. Alle vier Jahre gibt es ein neues Profil, das zurzeit entstehe, aber, wie es in Regierungskreisen heißt, noch nicht fertig sei. Die Mitglieder des Kontrollgremiums sollen in dieser Woche Einblick in die von R. entwendeten Dokumente erhalten. Erst danach soll entschieden werden, ob eine Sondersitzung notwendig ist. Für Hahn steht fest: „Das Kontrollgremium muss wissen, wen der BND ausspioniert.“

Die Frage ist nur, was man mit der Information anfängt. Denn während die Fraktionschefin der Grünen, Katrin Göring-Eckardt, eine Regierungserklärung der Kanzlerin erwartet, verteidigt ihr Vorgänger Jürgen Trittin die BND-Aktivitäten in der Türkei und warnte vor „Wehleidigkeit“.

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false