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Politik: Der Bruder in Moskau

Lieb Vaterland, magst ruhig sein: Nun könne ja nicht mehr viel passieren, denn alsbald werde Jugoslawien unter dem Schutz russischer Waffen stehen, tönte ganz undiplomatisch Belgrads Botschafter in Moskau, als am Montag bekanntgegeben wurde, daß die jugoslawische Skupstina offiziell den Beitritt des Landes zum russisch-weißrussischen Staatenbund beschlossen hat.Deren Statuten aber sehen Beistandspflicht im Falle einer Aggression vor.

Lieb Vaterland, magst ruhig sein: Nun könne ja nicht mehr viel passieren, denn alsbald werde Jugoslawien unter dem Schutz russischer Waffen stehen, tönte ganz undiplomatisch Belgrads Botschafter in Moskau, als am Montag bekanntgegeben wurde, daß die jugoslawische Skupstina offiziell den Beitritt des Landes zum russisch-weißrussischen Staatenbund beschlossen hat.Deren Statuten aber sehen Beistandspflicht im Falle einer Aggression vor.

Daß sich ausgerechnet ein Botschafter, der Beamter, nicht aber Politiker ist, derartig weit aus dem Fenster lehnt, ist ungewöhnlich.Doch Belgrads erster Mann an der Moskwa ist mehr als ein x-beliebiger Diplomat: Borislav Milosevic ist der ältere Bruder von Slobodan, dem jugoslawischen Präsidenten.Allein schon dieser Umstand verschafft ihm die bedingungslose Gefolgschaft der durch Sparzwang arg dezimierten Mannschaft in der Moskauer Vertretung des Landes.Doch auch ohne diesen Hintergrund wäre Milosevic senior kaum der Mann, der sich die Butter vom Brot nehmen ließe.Vertraute schreiben dies traumatischen Kindheitserlebnissen zu.

Geboren wurde Borislav Milosevic 1935 im serbischen Pozarevac in einer Familie, deren Zerfall eine bloße Zeitfrage war: Sein Vater war orthodoxer Religionslehrer, seine Mutter, eine Volksschullehrerin, sympathisierte mit den Kommunisten, im autoritär regierten Königreich der Serben, Kroaten und Slowenen nicht eben karrierefördernd.Durch die Scheidung der Eltern, die später beide Selbstmord begingen, wurden auch die Brüder getrennt: Slobodan blieb bei der Mutter in Serbien, Borislav folgte dem Vater nach Montenegro.

Ein Gutes hatte der Ortswechsel dennoch für Borislav, der unbedingt Diplomat werden wollte: Im Tito-Jugslawien wurde streng auf die nationale Quote geachtet: Als Montenegriner aber hatte er ungleich bessere Chancen für die Zulassung zum Staatsdienst, den er in den fünfziger Jahren in Titos Kabinett begann.Höhepunkt der dann folgenden Diplomatenkarriere war in den achtziger Jahren der Botschafterposten in Algerien.Zuvor hatte er die Moskauer Botschaft zweimal als Durchlauferhitzer genutzt: zunächst als Sekretär, denn als Legationsrat.

Die dabei perfektionierten Sprachkenntnisse verschafften ihm 1991 nach dem Zusammenbruch der Sozialistischen Föderativen Republik Jugoslawien zunächst die Rückkehr nach Moskau als Firmenvertreter und Juni 1998 den Zugang zum Kreml: Als Bruder Slobodan mit Boris Jelzin über die Kosovo-Krise konferierte, assistierte Borislav als Dolmetscher.Knapp vier Monate später wurde er zum Botschafter ernannt.

Beobachter erklärten dies zunächst mit der heiklen Mission eines Waffenbeschaffers.Die russische Aufklärung behauptet, Belgrad habe bereits im Herbst damit gerechnet, daß Bombenschläge der NATO unausweichlich seien.Borislav Milosevics neue Mission ist nicht weniger heikel.Rußland ist sich sehr wohl der Gefahren bewußt, die mit einer Aufnahme Jugoslawiens in die Union Rußland-Weißrußland verbunden sind.Milosevic senior tut daher gut daran, sich auf ein Maximum an Widerstand einzustellen.

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