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Politik: …der Büroschlaf schwer fällt

Der Fußballspieler Wolfram Wuttke, kein einfacher Charakter, wahrlich nicht, hat während seiner Zeit beim 1. FC Kaiserslautern einmal seinen Sohn zum Training mitgebracht.

Der Fußballspieler Wolfram Wuttke, kein einfacher Charakter, wahrlich nicht, hat während seiner Zeit beim 1. FC Kaiserslautern einmal seinen Sohn zum Training mitgebracht. Der Filius, argumentierte der Profi damals, solle schließlich einen Begriff davon bekommen, mit wie vielen dummen Menschen sich sein Papa an seinem Arbeitsplatz herumschlagen müsse. Das kam nicht gut an. Wuttke galt ohnehin als Eigenbrötler. Ein Eindruck, der sich nach dieser Aussage sogar noch ein wenig verschärfte.

Wuttke, das muss zu seiner Entlastung gesagt werden, hatte allerdings auch keinen einfachen Arbeitsplatz. Als Fußballer ist man ja praktisch nie allein. Permanent steht einem jemand „auf den Socken“, wie es in der Fußballersprache heißt. Selten gelingt da ein anregendes Gespräch über, sagen wir, die Rolle Karls des Großen für die gegenwärtige EuropaDebatte. Oder so. Und dann schreit auch noch der Trainer ständig rum, weil man sich zu wenig bewegt.

Andere hatten es da lange Zeit weit einfacher. Ganze Bürohäuserzeilen sind in diesem Land dank funktionaler Nachkriegsarchitektur aufs Kleinzelligste komponiert worden. Acht Quadratmeter waren da oft schon das Höchste der Gefühle. Ein Schreibtisch. Ein Aktenschrank. Ein Papierkorb. Ein Gummibaum. Eine Tür zum Zumachen. Aus. „Moin“ zum Pförtner, „Mahlzeit“ in der Kantine, „’n Abend denn“ wieder zum Pförtner. Damit kam so mancher Durchschnittsangestellte durch sein komplettes Arbeitsleben. Es waren die schlechtesten Zeiten nicht. Büros waren Inseln der Ruhe, Oasen der Kommunikationslosigkeit, Paradiese der Arbeitswelt.

Sie sterben aus. In Leipzig ist nun die schwer futuristische Fabrik von BMW eingeweiht worden, konzipiert von der Stararchitektin Zaha Hadid, von der es heißt, sie trage ihr Haar in der wirren Struktur ihrer Planskizzen. Fürs geregelte Arbeitsleben, Mittagsschlaf inklusive, verheißt das nichts Gutes. Keine Wand, hinter der man Ruhe finden könnte, nirgendwo. Von Gummibäumen keine Spur. Stattdessen: Der Lackierer lackiert im Blickfeld der Chefsekretärin, der Monteur montiert in Riechweite zum Koch. Alles wühlt irgendwie Schulter an Schulter durcheinander, gemeinsam den Anforderungen der Rationalität gehorchend. Wahrscheinlich bleiben die Eigenbrötler über kurz oder lang auf der Strecke. Der Betriebsrat sollte jedenfalls hellhörig werden, wenn sich die Anfragen häufen, ob man bei Gelegenheit mal seinen Sohn mitbringen dürfe… Vbn

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