zum Hauptinhalt
Der Bundestag in Berlin.

© AFP

Der Bundestag und die Kontrolle der EU: Das abstinente Parlament?

Die nationalen Parlamente können Vorhaben in Brüssel direkt beeinflussen und auch rügen. Eine Studie kommt zum Schluss: Der Bundestag macht nur wenig.

Der Bundestag nimmt seine Kontroll- und Einflussmöglichkeiten in der Brüsseler EU-Politik nur unzulänglich wahr. Das ist das Ergebnis einer Studie des Freiburger Centrums für Europäische Politik (CEP). Die europäischen Verträge sehen zwei direkte Möglichkeiten von Einsprüchen und Einflussnahmen bei EU-Vorhaben vor: zum einen die Subsidiaritätsrüge, wenn ein nationales Parlament der Meinung ist eine Sache dürfe oder müsse nicht in Brüssel geregelt werden, zum anderen die so genannten Stellungnahmen im politischen Dialog, mit denen EU-Gesetze oder Verordnungen beeinflusst werden können. In beiden Fällen ist der Bundestag praktisch nicht aktiv, so das Fazit der Studie. Sie entstand im Auftrag des Konvents für Deutschland, einer Runde ehemaliger Spitzenpolitiker um Ex-Bundespräsident Roman Herzog, die sich vor allem zu Verfassungsfragen äußert. Der Konvent spricht angesichts der Zahlen der Studie von einer „merkwürdigen Zurückhaltung“ des Bundestags; insgesamt sei die Rolle Deutschlands bei der Kontrolle der EU-Gesetzgebung „beschämend“.

Unter dem Durchschnitt

Laut CEP nahmen die nationalen Parlamente nur in 1,6 Prozent aller Fälle zwischen 2010 und 2015 das Recht auf eine Subsidiaritätsrüge in Anspruch. Deutschland liege mit 1,4 Prozent noch unter dem Durchschnitt. Das schwedische Parlament sieht immerhin in gut zehn Prozent der Fälle einen Grund, Brüssel die Zuständigkeit streitig zu machen. In den Niederlanden sind es 3,4 Prozent. Deutschland wäre weit abgeschlagen, wenn nur der Bundestag das Rügerecht hätte – er hat in nur drei Fällen Einspruch erhoben. Elf Mal tat das der Bundesrat. Die Subsidiaritätsrüge führe in der EU-Politik immer noch ein Nischendasein, lautet die Einschätzung des Konvents.

Bundesrat ist etwas aktiver

Noch eklatanter ist das Verhältnis bei den Stellungnahmen im politischen Dialog. Hier kommen praktisch alle deutschen Versuche zur Einflussnahme vom Bundesrat, nur zwei Prozent vom Bundestag. Oder in absoluten Zahlen: zwei Stellungnahmen in fünf Jahren. Deutlich aktiver als Deutschland, das in 8,4 Prozent der Fälle eine Stellungnahme abgibt, sind die Parlamente von Portugal (74 Prozent) und Italien (knapp 35 Prozent). Immerhin sind Bundesrat und Bundestag hier im Vorderfeld, die Mehrzahl der nationalen Parlamente kommt auf eine Quote von weniger als vier Prozent.

Das Konventsmitglied Rupert Scholz, Ex-Bundesminister und früherer Berliner Justizsenator, erklärt die höhere Aktivität des Bundesrates damit, dass dort die Länderregierungen mit ihrem großen Apparat die Brüsseler Dinge stärker beobachten können und ihre Interessen direkter wahrzunehmen suchen. Zudem sei der Europa-Ausschuss der Länderjammer besser aufgestellt und habe mehr Macht als sein Gegenüber im Bundestag. Dort würden die einzelnen Fachausschüsse sich gegen eine stärkere Konzentration der Europapolitik in einem eigenen Ausschuss sperren. In diesen Fachausschüssen, so Scholz, „versickert aber viel“. Erwin Teufel, einst Ministerpräsident in Baden-Württemberg und einer der deutschen Vertreter in dem EU-Verfassungskonvent, welcher die Einflussinstrumente erfand, ist enttäuscht: „Die Möglichkeiten der Subsidiaritätskontrolle sind beachtlich, aber wenn man sie nicht nutzt, dann haben sie keinen Wert.“

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false