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Politik: Der CDU/CSU-Fraktionsvize über die neue Parteiführung, die DDR-Bürgerrechtler und die PDS

Günter Nooke (41) trat 1996 gemeinsam mit anderen DDR-Bürgerrechtlern spektakulär in die CDU ein. Zwei Jahre später wurde der gelernte Diplomphysiker in den Bundestag gewählt.

Günter Nooke (41) trat 1996 gemeinsam mit anderen DDR-Bürgerrechtlern spektakulär in die CDU ein. Zwei Jahre später wurde der gelernte Diplomphysiker in den Bundestag gewählt. Seit diesem Frühjahr ist er stellvertretender Vorsitzender der CDU/CSU-Bundestagsfraktion, verantwortlich für die neuen Länder, und Sprecher der ostdeutschen CDU-Bundestagsabgeordneten.

Sie sind seit 1996 in der CDU. Haben Sie irgendwann in den letzten Monaten mal an einen Parteiaustritt gedacht ?

Nein.

Die Spendenaffäre lässt Sie unberührt?

Natürlich hat uns die Spendengeschichte kalt erwischt. Aber deswegen frage ich mich doch nicht, ob ich noch in der richtigen Partei bin. Auch zu DDR-Zeiten habe ich mich, wenn Dinge nicht in Ordnung waren, weiter eingemischt.

Das Denkmal Helmut Kohl wackelt nicht?

Das Denkmal wackelt nicht. Die Diskussion um den Rechtsbruch von Helmut Kohl und die Spendenaffäre haben die innerparteilichen Erneuerungsprozesse stark vorangetrieben. Auf die historischen Verdienste von Helmut Kohl hat die Entwicklung nur marginalen Einfluss. Dass Wolfgang Schäuble gehen musste, dass wir mit Angela Merkel und anderen jetzt recht gut aufgestellt dastehen, wäre ohne die Affäre nicht so schnell gekommen.

Ist Merkel eine Parteichefin neuen Typs?

Dass eine Frau eine Volkspartei führt, dass sie in der DDR aufgewachsen ist, bringt neue, bereichernde Perspektiven. Angela Merkel wird nicht dem entsprechen, was in der alten Bundesrepublik von einem Parteichef erwartet wurde. Sie wird vielleicht weniger polarisieren, dafür umso mehr durch ehrliche Meinungen überzeugen.

Also keine Politik a la "Rote-Socken-Kampagne" mehr, die klar polarisiert?

Alles zu seiner Zeit. Gelegentlich müssen Themen in Wahlkämpfen auch streitig vorgetragen werden. Danach können die Auseinandersetzungen ruhiger verlaufen.

Ihr Abgeordnetenkollege Arnold Vaatz, wie Sie ein ehemaliger DDR-Bürgerrechtler, fürchtet, unter Merkel werde der klare Abgrenzungskurs zur PDS aufgeweicht.

Wenn die PDS sich gerade zerlegt, umso besser. Wir wollen die inhaltliche Auseinandersetzung. Die Debatte um die rechte Nähe zur PDS können wir getrost der SPD überlassen. Wir wollen mit den Menschen im Osten stärker ins Gespräch kommen.

Wie?

Gerade in Berlin werden Dinge viel zu oft aus West-Sicht betrachtet. Und sei es nur, dass ein kleiner Elefant im Zoo weit mehr Medienbeachtung erfährt als zwei genau so kleine Elefanten vergangenes Jahr im Tierpark Friedrichsfelde. Das ist symptomatisch. Ich will nicht behaupten, dass meine Partei in Berlin übermäßig den Osten repräsentiert.

Welches sind die richtigen Themen?

Vorrangig geht es um Arbeitsplätze, Wirtschaftsentwicklung. Da geht zurzeit die Schere zwischen Ost und West immer weiter auseinander.

Fühlen Sie sich als Exot? Sie sind fast der einzige DDR-Bürgerrechtler, der noch in herausgehobener Rolle Politik macht.

Ich will nicht nur als Bürgerrechtler wahrgenommen werden. Politik machen lässt sich nicht über die eigenen Verdienste in der Geschichte. Wir ehemaligen Bürgerrechtler sollten mit den Menschen auf Augenhöhe diskutieren, ohne sie ständig danach zu fragen, was sie früher gemacht haben. Manche von uns sind gescheitert, weil sie glaubten, dass die gleichen Methoden, mit denen wir gegen die Diktatur zu Felde gezogen sind, heute noch funktionieren.

Also empfehlen Sie Arnold Vaatz und Angelika Barbe, moralisch weniger rigoros zu sein?

Ich unterstelle Arnold Vaatz keinen moralischen Rigorismus. Wie er warne ich davor, die DDR schön zu reden. Dennoch dürfen wir als Politiker einer großen Volkspartei nicht nur Lehrmeister der Bevölkerung sein. Wir müssen die Menschen dort abholen, wo sie stehen. Wir müssen auf sie zugehen, ihnen erklären, was wir wollen und zuhören, was sie von uns wollen.

Die CDU hat bei der letzten Bundestagswahl im Osten fast 200 000 Wähler an die PDS verloren. Und jetzt geht Sie die Krise der PDS nichts an?

Für uns sind die Menschen im Osten interessant. Wir machen der PDS den Alleinvertretungsanspruch streitig. Die Debatte über die PDS würde ich gerne anderen überlassen.

Der Berliner CDU-Fraktionschef Klaus Landowsky hat im Gespräch mit Gregor Gysi doch erst die Debatte über ein entspanntes Verhältnis zur PDS angestoßen.

Da bin ich auch anderer Meinung als Herr Landowsky und andere hier in der Stadt, die manchmal von einem Extrem ins andere fallen. Ob der demokratische Ritterschlag für Herrn Gysi, der gerade die Rüstung abgelegt hat, notwendig war, ist nun wirklich die Frage. Manches scheint mir da nicht ganz zu Ende gedacht zu sein. Je mehr wir jetzt über die PDS reden, umso weniger werden in dieser Partei die inneren Streitpunkte geklärt. Wenn die SPD der PDS mit Aufnahmeangeboten zu neuer Geschlossenheit verhilft, ist das der Demokratie wenig zuträglich.

Erstmals hat die Union jetzt - zur Zwangsarbeiter-Entschädigung - einen interfraktionellen Antrag auch mit der PDS in den Bundestag eingebracht. Ist ihr Fraktionsbeschluss, wonach es keine gemeinsamen Initiatitiven mit der PDS geben darf, hinfällig?

Wir haben eine politische Entscheidung verantwortlich getroffen. Das war nicht der Startschuss, um nun ständig gemeinsam Anträge mit der PDS einzubringen. Gerade bei der Entschädigung der Zwangsarbeiter war es doch völlig zweitrangig, ob nun die PDS mit unterschreibt oder nicht.

Es gibt nun einen Präzedenzfall. Unabhängig vom Inhalt wollten Sie PDS-Anträgen grundsätzlich nicht zustimmen.

Wenn Sie so wollen, haben wir das erste Mal einen gemeinsamen Antrag mit der PDS eingebracht. Ich sehe nicht, dass das demnächst wieder ansteht. Insofern muss man grundsätzliche Prinzipien nicht ändern. Aber der Vorgang zeigt auch, dass wir nicht ideologisch verbohrt an Dingen festhalten, die dann eigentlich nur lächerlich wirken.

Als im Bundestag jetzt über die Verwendung von Stasi-Akten zur CDU-Spendenaffäre gestritten wurde, war von der Ost-CDU fast nichts zu hören.

Ich habe mich sehr wohl dazu geäußert. Es geht mir nicht darum, die Akten zu schließen. Wir müssen jedes Geschmäckle vermeiden - nach dem Motto "Jetzt geht es um die Großen im Westen und die Akten werden geschlossen". Aber ich widerspreche auch entschieden den SPD-Ministerpräsidenten Reinhard Höppner und Manfred Stolpe, die den Eindruck erwecken wollen, als könnten Opfer und Täter gleichgesetzt werden. Der IM "Sekretär" Manfred Stolpe darf nicht mit dem Kanzler der deutschen Einheit Helmut Kohl verglichen werden. Beide fallen im Stasi-Unterlagengesetz unter ganz andere Kategorien.

Dennoch sollte der Untersuchungsausschuss zur Spendenaffäre die Stasi-Akten über Kohl direkt oder indirekt nutzen?

Rechtlich ist die Lage kompliziert. Der Ausschuss sollte eine politische Entscheidung treffen. Das Stasi-Unterlagengesetz lässt meines Erachtens die Möglichkeit offen. Im Übrigen muss die CDU vor den Stasi-Akten weit weniger Angst haben als beispielsweise die SPD. Das Gespräch führten Robert Ide, Thomas Kröter und Matthias Meisner

Nookes Homepage im Internet

www.cducsu.bundestag.de/nooke_gu.htm

Sie sind seit 1996 in der CDU. Haben Sie irgendwan

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