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Politik: Der Clan der Provokateure

Jüdische Siedler liefern sich eine Schlacht um ein illegales Dorf – ihr Anführer ist ein Freund von Premier Scharon

Von Charles A. Landsmann,

Tel Aviv

Die jüdischen Siedler in den besetzten Gebieten brauchen vor allem eines: Land. Und obwohl ihre Siedlungen unerwünscht oder sogar verboten sind, gibt es zumindest erfolgreiche Landaufkäufer. Der erfolgreichste ist Mosche Sar, ein Busenfreund von Ariel Scharon, aber auch eng befreundet mit Verteidigungsminister Benjamin Ben Elieser. Der Sar-Clan kämpft mit allen zur Verfügung stehenden und keineswegs nur legalen Mitteln für das Siedlungswesen und gegen die Palästinenser: ein blutiger Kampf.

Mosche Sar selbst galt schon einmal sicher und ein weiteres Mal ziemlich sicher als tot. 1956 im Sinai-Feldzug unter seinem Kommandanten „Arik“ Scharon entdeckte ein Sanitäter, dass der totgeglaubte Sar trotz Schüssen in Stirn, Auge und Schulter noch atmete, und brachte ihn ins Krankenhaus, wo man sein Leben, aber nicht das linke Auge rettete. Vor 20 Jahren versuchte ein Palästinenser, der sich übers Ohr gehauen fühlte, Sar mit der Axt den Schädel zu spalten.

Seither trohnt Mosche Sar hoch auf einem Hügel über der Siedlung Karnei Schomron. Ariel Scharon schleppte immer wieder ausländische Politiker auf den Hügel, um ihnen dort die strategische Bedeutung der Siedlungen für das israelische Kernland zu erklären. Die Freundschaft hätte nicht enger sein können, bis im vergangenen Jahr Gilad Sar – einer der Söhne – bei einem palästinensischen Angriff gezielt erschossen wurde. Als Scharon den Sars einen Kondolenzbesuch abstattete, brüllte Mosches Tochter Anat ihn an: „Schlagt zurück.“

Für die Siedler gab es nur eine „einzig mögliche zionistische Antwort“ auf die Ermordung Gilads: Sie errichteten auf Mosche Sar gehörendem Land, wo Anat mit ihrer Familie wohnte, einen nach Havat Gilad benannten illegalen Außenposten. Vergangene Woche sollte die provokative Gedenk-Farm auf Anordnung von Ben Elieser geräumt werden. Hunderte militante Jungsiedler erwarteten die Armee, aber Mosche Sar rief per Megafon seine Gefolgsleute auf, „nicht die Hand gegen jüdische Soldaten zu erheben“, und kündigte den Abzug der Bewohner an. Doch als die Soldaten am Sabbat-Ausgang Samstagnacht die zurückgebliebenen Gebäude zerstören wollten, wurden sie von rund 1000 meist jugendlichen Siedlern attackiert. Bis Sonntagnachmittag wurden rund 90 Verletzte, meist Soldaten und Polizisten, in die Krankenhäuser eingeliefert. Auch Mosche Sar, blutverschmiert, aber unverletzt: Er war vor Aufregung ohnmächtig geworden. Als er auf den Hügel zurückkam, sagte er: „Sie haben Gilads Denkmal zerstört.“ Wenig später hatten rund 300 Jugendliche aus Blechen und Plannen eine Synagoge errichtet, ohne Dach, aber zum „Gedenken an Gilad“.

Der Vorsitzende der Nationalreligiösen Partei (NRP) forderte den Rücktritt Ben Eliesers, weil die Räumung gegen die Sabbat- Ruhe verstoßen habe. Der Verteidigungsminister hatte eingeräumt, dass die Soldaten vor Ende des Sabbats nach Havat Gilad gefahren waren. Die NRP berät nun, ob sie in der Regierungskoalition bleibt. Ben Elieser kündigte an, er wolle weiter „mit aller Härte“ gegen die Siedler durchgreifen, und drohte seinerseits mit einem Rückzug der Arbeiterpartei aus der Regierung, falls Infrastrukturminister und NRP-Chef Effi Eitam nicht entlassen werde. Gleichzeitig ordneten Ben Elieser und Scharon einen Teilabzug der Truppen aus Hebron an. Mitte der Woche wird US- Vermittler William Burns in Israel erwartet.

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