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Politik: Der diskrete Charme der Blockade Rot und Grün entdecken

den Bundesrat als Chance

Berlin - So ist das also: Da war der Bundesrat für SPD und Grüne, als sie dort keine Mehrheit hatten, jahrelang so etwas wie der Leibhaftige für den guten Katholiken. Hat das Gute nicht zugelassen und das Schlechte befördert – also rot-grüne Politik blockiert und mit schwarz-gelbem Schwefel versetzt. Am liebsten hätten sie die Länderkammer abgeschafft in der ersten Runde der Föderalismusreform, auf dass die Länder nie mehr in die bundespolitische Suppe spucken können.

Lange her, fast sechs Jahre – also praktisch vergessen. Denn neuerdings feiern SPD und Grüne den Bundesrat als Nonplusultra der parlamentarischen Demokratie. Seit nämlich die Regierung Merkel/Westerwelle wegen der Niederlage der Regierung Rüttgers/Pinkwart in Nordrhein-Westfalen keine eigene Mehrheit in der zweiten Bundeskammer mehr hat. Zwar haben SPD und Grüne hier auch keine eigene Mehrheit – so wenig wie in NRW –, aber: Die Mehrheit der anderen Seite ist gebrochen, man ist im föderalen Spiel dabei. SPD und Grüne rechtfertigen ihre Minderheitsregierung in NRW sogar mit der Möglichkeit, „unsoziale Politik“ auf Bundesebene zu stoppen.

Kein Wunder also, dass die Bundesregierung jetzt ihr Sparpaket aufspalten will. In einen Teil, dem der Bundesrat nicht zustimmen muss. Und in einen zweiten Teil, den die Länder ablehnen können. Der zustimmungsfreie Teil solle der größere sein, hat der Parlamentarische Geschäftsführer der FDP-Fraktion, Otto Fricke, angekündigt. Was den SPD-Linken Ottmar Schreiner zu dem Zwischenruf veranlasst hat, damit werde die parlamentarische Demokratie untergraben.

Dabei ist das Aufspalten von Gesetzespaketen (und darum handelt es sich bei den Sparbeschlüssen der Regierung) gang und gäbe. Denn wäre es ein einziges Gesetz, dann könnte der Bundesrat es in Gänze ablehnen, selbst wenn eigentlich nur ein Detailpunkt die Länderzuständigkeit bei der Verwaltung oder die Länderhaushalte in stärkerem Maße tangiert. Rot-Grün hat das Aufspalten seinerzeit auch praktiziert, zum Beispiel beim ähnlich gelagerten Haushaltssanierungsgesetz 1999 oder – für die Unions-Opposition besonders empörend – bei der eingetragenen Lebenspartnerschaft: Der Sachverhalt an sich war nicht zustimmungspflichtig, die Wahl des Eintragungsorts der Partnerschaft – Standesamt oder anderswo? – aber wohl.

Im Fall des aktuellen Sparpakets sind die meisten Punkte wohl ohne den Bundesrat umzusetzen. Die geplante Brennelementesteuer etwa, die Maßnahmen bei der Bundesagentur für Arbeit oder die Begrenzung des Elterngeldes gehen ohne die Länder. Gleiches gilt für Einsparungen bei Bundeswehr und Bundesbeamten. Auch die Sperrung der Mittel für den Neubau des Berliner Schlosses ist am Bundesrat vorbei möglich. Hier kann der Bundesrat allenfalls Einspruch erheben, den der Bundestag aber nach einem Vermittlungsverfahren überstimmen kann. Dagegen könnten die Streichung des Heizkostenzuschusses und möglicherweise auch der Wegfall des Rentenzuschusses für Hartz-IV-Empfänger zustimmungspflichtig sein. Der Löwenanteil des Sparpakets im Umfang von 80 Milliarden Euro aber ist „ blockadefrei“. Albert Funk

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