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Politik: Der eiserne Premier

In Frankreich ist Dominique de Villepin wegen seiner Haltung im Konflikt mit den Gewerkschaften zunehmender Kritik ausgesetzt

Nicolas Sarkozy war der Erste, der am Mittwoch nach dem wöchentlichen Ministerrat den Elysee-Palast verließ, lächelnd und schweigsam. Und wie der Innenminister und Vorsitzende der Regierungspartei UMP strebten auch die übrigen Minister wortlos an den Reportern vorbei zu ihren Limousinen. Frankreichs Regierung demonstriert im Nervenkrieg um den umstrittenen Erstanstellungsvertrag (contrat première embauche - CPE) Solidarität mit Premierminister Dominique de Villepin.

Nicht mit einem einzigen Wort sei der CPE in der nur dreiviertelstündigen Sitzung des Ministerrats unter Vorsitz von Staatspräsident Jacques Chirac erwähnt worden, teilte Regierungssprecher François Copé den erstaunen Journalisten anschließend mit, so einig sei man sich. Doch wer mag das schon glauben angesichts der Spannungen, Kritiken und Bosheiten, die in den vergangenen Tagen im Regierungslager zu vernehmen waren, und die jetzt auch das aufgesetzte Lächeln der Regierungsmitglieder kaum vergessen machen konnte.

Noch am Abend vorher hatte de Villepin die Abgeordneten und Senatoren der UMP bei einem Umtrunk in seinem Amtssitz, dem Hotel Matignon, mit einer Erklärung geschockt, die die Hoffnungen auf ein Ende der Konfrontation mit Gewerkschaften, Studenten Schülern über den CPE zunichte machte. Manche der Anwesenden glaubten, ihren Ohren nicht zu trauen, als der Premier sagte, das Gesetz werde weder aufgehoben noch suspendiert oder „in seiner Natur verändert“. Hatten sie den Regierungschef doch zuvor in der Sitzung ihrer Fraktion dahingehend verstanden, dass er jederzeit bereit sei zum Dialog mit den Sozialpartnern, dass dabei über eine Verkürzung der zweijährigen Probezeit für Berufsanfänger gesprochen werden könne und dass auch die Frage der Nichtbegründung von Entlassungen „kein Tabu“ sei. Der Premier aber denkt nicht daran nachzugeben. Wollte man etwa bei Entlassungen doch wieder einen Begründungszwang einführen, würde das bestehende „intelligente Gesetz“ unwirksam, erklärte er.

Kaum eine Hand rührte sich zum Beifall, berichtete ein Teilnehmer. Einige machten ihrem Unmut in kräftigen Worten Luft. Man verglich den Regierungschef mit dem Kapitän der Titanic, es mangele ihm an Menschlichkeit, er fordere zum Dialog auf und rede doch nur selbst, zitierte „Libération“ einige Stimmen. Andere hätten den Saal konsterniert verlassen. Unter ihnen auch Sarkozy. Der Rivale de Villepins im Wettlauf um die Kandidatur der Rechten bei der Präsidentenwahl 2007 hat zwar nie öffentlich das Vorgehen des Regierungschefs kritisiert. Doch dass er dessen Methode verurteilt, daraus hat er nie ein Geheimnis gemacht. Dafür haben nicht zuletzt seine Gefolgsleute gesorgt. Auch jetzt lassen sie keine Gelegenheit aus, Distanz zum Premier zu demonstrieren.

Sarkozy sei bereit, de Villepin im Stich zu lassen, schrieb „Le Parisien“ am Mittwoch auf ihrer Titelseite. Davon kann allerdings im Moment keine Rede sein, wie der Innenminister in einem tags darauf veröffentlichten Interview in „Paris Match“ abwehrt. Sarkozy kann die Regierung nicht wie ein untergehendes Schiff verlassen. Doch ihm bereitet die Härte des Regierungschefs im Hinblick auf die Wahlchancen der Rechten zunehmend Sorgen. „Vergessen Sie nicht die Jugend“, wird Sarkozy von einem seiner Gefolgsleute zitiert. „Sie gibt den Wahlen ihre Dynamik, ohne sie können wir nicht gewinnen.“ Deshalb habe er dem Premierminister unter vier Augen erklärt, dass er sich beim CPE bewegen müsse. Sein Kompromissvorschlag: Man wendet den CPE sechs Monate lang als „Experiment“ an und bewertet dann zusammen mit den Sozialpartnern die Ergebnisse.

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