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Politik: Der Erfolg hat viele Mütter

Die Pisa-Studie zeigt: In einer klassischen Familie zu leben ist nicht entscheidend für die Bildungschancen

Die Klagen der Lehrer und Pädagogen sind bekannt: Schwierig seien sie, die Jugendlichen von heute – deutlich schwieriger als in früheren Zeiten. Bei vielen wirke sich die Scheidung der Eltern negativ auf ihr Verhalten und ihre schulischen Leistungen aus. Die Bildungsforscher Klaus-Jürgen Tillmann und Ulrich Meier sind in der neuen Auswertung der umfangreichen Pisa-Daten der Frage nachgegangen, wie Jugendliche diese Brüche heute verkraften und wie sich das auf ihre Chancen auswirkt, ein Gymnasium zu besuchen.

Das Ergebnis der Studie: Anders als erwartet leben drei von vier Jugendlichen in Deutschland auch heute mit ihren leiblichen Eltern zusammen in der traditionellen Familie. Der Anteil von Jugendlichen, die mit nur einem Elternteil zusammenwohnen, und Einzelkindern ist danach in keinem Bundesland und in keiner der untersuchten Gruppen größer als 20 Prozent. Die Mär, Einzelkind- und Single-Familien seien nicht nur auf dem Vormarsch, sondern inzwischen in der Mehrheit, „entbehrt damit jeder empirischen Evidenz“, räumen die Forscher mit diesem Vorurteil auf.

Doch immerhin jeder vierte Jugendlichemuss nach diesen Zahlen mit einer neuen Situation zurecht kommen. Als Gradmesser für den Schulerfolg galt den Forschern wegen der späteren Bildungschancen, wieviele der Jugendlichen den Übergang zum Gymnasium schaffen. Es zeigt sich: Sowohl an Hauptschulen wie an Gymnasien finden sich anteilig genauso viele Kinder aus „Kernfamilien“ wie aus Ein-Eltern-Familien. „Das Aufwachsen in einer „unvollständigen“ Familie sei also nicht mit geringeren Bildungschancen verbunden, schließen die Forscher. Eine Ausnahme bilden drei Bundesländer: In Mecklenburg-Vorpommern und Sachsen-Anhalt sowie besonders in Bremen liegt die Kernfamilie leicht vorn. Um herauszufinden, ob die Kinder aus den so genannten Patchwork-Familien wegen „problematischer Lebensbedingungen“ weniger lernen, untersuchten die Bildungsforscher deren Leistungen im Lesen und in Mathematik. Und auch dabei haben sie keine nennenswerten Unterschiede gefunden.

Entwarnung gab es auch für voll berufstätige Mütter: Ihre Kinder erreichen ebenfalls genauso oft das Gymnasium wie die Kinder von Hausfrauen. In Mecklenburg-Vorpommern haben die Kinder voll berufstätiger Mütter sogar eine 3,7-mal größere Chance, auf das Gymnasium zu gehen. In Sachsen-Anhalt ist ihre Chance 2,7-mal größer als die der Kinder von Hausfrauen. Das erklären sich die Wissenschaftler mit den höheren Bildungsabschlüssen dieser Mütter. Leistungsvorteile fanden die Forscher auch bei Einzelkindern sowie leichte Nachteile bei Kindern aus großen Familien.

„Die hier präsentierten Ergebnisse stützen aber an keiner Stelle die These von der höheren erzieherischen Leistung der vollständigen Kernfamilie“, lautet das Fazit der Wissenschaftler. Die Befürchtung, dass Kinder bei einem Elternteil oder mit nur einem Elternteil „problembelastet“ aufwachsen, scheint also mit großer Wahrscheinlichkeit nicht zu stimmen. Andernfalls müsste sich dies auf ihre Leistungen auswirken.

Was aber den Bildungserfolg der Jugendlichen gravierend beeinflusst, ist der Bildungsstand ihrer Eltern und ob sie in der ersten Generation in Deutschland leben. Dies wirkt sich so stark wie kein anderer Faktor auf den Bildungserfolg in Deutschland aus.

Pisa, das „Programme for International Student Assessment“ ist der bisher weltweit größte Schultest. Dafür wurden allein in Deutschland 50 000 Schüler getestet.

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