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Ein Korruptionsskandal brachte den Europarat im vergangenen Jahr in die Schlagzeilen.

© REUTERS

Der Europarat und Aserbaidschan: Ein Korruptionsskandal mit Folgen

Mit Teppichen, Kaviar und viel Geld sicherte sich Aserbaidschan jahrelang Einfluss im Europarat. Auch eine CDU-Abgeordnete profitierte. Zieht der Bundestag daraus Konsequenzen?

Für Abgeordnete des Bundestages gibt es Aufgaben, die Einfluss und Prestige mit sich bringen und entsprechend begehrt sind. Wer es schafft, in einen wichtigen Ausschuss hineinzukommen, oder sogar den Vorsitz übernimmt, kann sich der medialen Aufmerksamkeit bis zum Ende der Legislaturperiode sicher sein. Andere Aufgaben, die in diesen Tagen neu zu vergeben sind, finden öffentlich kaum Beachtung. Dazu gehört die Mitgliedschaft in der Parlamentarischen Versammlung des Europarats. Selbst politisch Interessierte verwechseln diese Organisation oft mit der Europäischen Union. Viermal im Jahr tagen Abgeordnete aus den 47 Mitgliedstaaten des Europarats für eine Woche in Straßburg. Am kommenden Montag beginnt die Wintertagung der Parlamentarischen Versammlung. Der Bundestag muss deshalb noch in dieser Woche die Mitglieder der neuen deutschen Delegation bestimmen.

Es gehört zur bitteren Ironie dieser Geschichte, dass es ausgerechnet ein Korruptionsskandal war, der den Europarat im vergangenen Jahr in die Schlagzeilen brachte. Mit Kaviar und kostbaren Teppichen, mit Goldketten und sehr viel Geld hatte Aserbaidschan jahrelang Lobbyarbeit in eigener Sache gemacht. Den Vorwurf, das Land betreibe in der Parlamentarischen Versammlung des Europarats „Kaviardiplomatie“, gab es schon seit 2012. Doch welche Ausmaße das Problem angenommen hatte, wurde den meisten Abgeordneten erst bewusst, als im vergangenen Jahr ein früherer italienischer Abgeordneter wegen Geldwäsche vor Gericht gestellt wurde: Luca Volontè hatte 2,39 Millionen Euro aus Aserbaidschan erhalten. Die Ermittler in Italien sahen einen direkten Zusammenhang zu seiner Tätigkeit im Europarat, wo er sich ungewöhnlich engagiert für die Interessen des autoritär regierten Aserbaidschan einsetzte. Und er war keineswegs der einzige Politiker, der von dem Land im südlichen Kaukasus bezahlt worden war. Auch die Bundestagsabgeordnete Karin Strenz (CDU) bekam Geld aus Baku – über die Firma des ehemaligen CSU-Abgeordneten Eduard Lintner, der zuvor selbst Mitglied der Parlamentarischen Versammlung des Europarates war. Schon früh war Strenz durch eine ungewöhnliche Nähe zu Aserbaidschan aufgefallen.

Der Europarat soll über die Einhaltung der Menschenrechte in seinen Mitgliedstaaten wachen, zu denen auch Russland und die Türkei gehören. Autoritär regierte Staaten wie Aserbaidschan sehen es nicht gern, wenn sie wegen der Inhaftierung von politischen Gegnern, Journalisten und Menschenrechtlern kritisiert werden. Für das Regime in Baku zahlten sich die kostspieligen Versuche der Einflussnahme aus: So wurde 2013 eine Resolution über politische Gefangene im Land überraschend verhindert, weil Volontè und andere dagegen stimmten. Im Europarat hatte sich über Ländergrenzen und Fraktionen hinweg eine Gruppe von Politikern gefunden, die durch ihre Unterstützung für Aserbaidschan auffielen – und von denen einige in Schlüsselpositionen gewählt wurden. Einer von ihnen war der frühere Parlamentspräsident Pedro Agramunt.

Auch andere Länder mit zweifelhafter Menschenrechtsbilanz konnten sich offenbar der Unterstützung dieser Politiker sicher sein: So reisten Agramunt und zwei weitere Abgeordnete auf russische Einladung nach Syrien und ließen sich mit Staatschef Assad fotografieren. Diese Reise löste in der Parlamentarischen Versammlung eine solche Empörung aus, dass Agramunt am Ende mit einem Rücktritt seiner Absetzung zuvorkommen musste. Agramunt und andere Parlamentarier, darunter der bisherige deutsche Delegationsleiter Axel Fischer (CDU), bemühten sich außerdem, die Aufhebung der Sanktionen gegen russische Mitglieder der Versammlung zu erreichen. Den Duma-Abgeordneten war nach der Annexion der Krim durch Russland und Moskaus Intervention in der Ostukraine das Stimmrecht in der Parlamentarischen Versammlung entzogen worden. Seitdem nehmen die Abgeordneten an den Sitzungen nicht mehr teil. Im vergangenen Jahr stellte Russland die Zahlungen an den Europarat ein. Moskau verlangt nicht nur die Aufhebung der Sanktionen, sondern zugleich Garantien dafür, dass so etwas nicht wieder passieren kann. Weil der Europarat die Sanktionsmöglichkeit nicht abgeschafft hat, bleiben die Russen auch in der kommenden Woche der Tagung in Straßburg fern.

Eine unabhängige Kommission untersucht derzeit die Vorwürfe

In der Parlamentarischen Versammlung setzte eine Gruppe von Abgeordneten um den Deutschen Frank Schwabe (SPD) und den Niederländer Pieter Omtzigt (Christdemokraten) gegen erhebliche Widerstände den Aufklärungs- und Reformprozess durch. „Heute haben die Freunde autoritärer Staaten im Plenum keine Mehrheit mehr“, sagt Schwabe. Eine unabhängige Kommission untersucht derzeit die Korruptionsvorwürfe, bis Mitte April sollen die drei Juristen ihre Ergebnisse vorlegen. Aserbaidschan zog aus seiner Delegation nun zwei Abgeordnete zurück, deren Namen in den italienischen Ermittlungsakten auftauchen. Sie sollen die Zahlungen an Volontè vermittelt und mit ihm das Vorgehen in der Parlamentarischen Versammlung abgesprochen haben.

Die Affäre im Europarat brachte auch die Unionsfraktion in Zugzwang. Wie sollte sie mit einer Abgeordneten umgehen, die Geld aus Aserbaidschan erhalten hatte? Die Fraktionsführung machte Strenz klar, man erwarte, dass sie nicht noch einmal für die Parlamentarische Versammlung kandidiere. Die Abgeordnete erklärte nun, sie trete nicht wieder an. „Aufgrund der mangelnden Wertschätzung des Europarates hinsichtlich meines erheblichen Engagements für den Europarat, insbesondere durch Delegationskollegen, werde ich für eine weitere Mitgliedschaft mit Beginn der Akkreditierung der neuen deutschen Delegation nicht mehr zur Verfügung stehen.“

Bemerkenswert ist, dass die Fraktionsführung auch dem bisherigen Delegationsleiter Fischer signalisierte, er solle nicht wieder antreten. Intern wird ihm offenbar vorgeworfen, die Aufklärung des Korruptionsskandals eher blockiert als gefördert zu haben.

An diesem Dienstag werden die Fraktionen ihre Mitglieder für die Europaratsdelegation benennen, am Donnerstag soll das Bundestagsplenum die Vorschläge absegnen. Insgesamt entsendet Deutschland 18 Abgeordnete nach Straßburg, außerdem werden 18 Stellvertreter benannt. Als neuer Leiter der deutschen Delegation wird nach Tagesspiegel-Informationen der CDU-Abgeordnete Andreas Nick gehandelt. Er sitzt seit 2013 im Bundestag und war bisher Mitglied im Auswärtigen Ausschuss. Nach der Bundestagswahl sprach er sich gemeinsam mit zwei Parteikollegen dagegen aus, die CDU weiter nach rechts zu rücken. Der Parlamentarischen Versammlung des Europarats gehörte Nick bisher nicht an, sodass ihm im Fall seiner Wahl zum Delegationsleiter nur wenige Tage zum Einarbeiten blieben.

Die neue deutsche Delegation wird sich auch mit der Frage befassen müssen, welche Konsequenzen sie aus dem Korruptionsskandal zieht. Der bisherige stellvertretende Delegationsleiter Schwabe fordert, die Mitglieder müssten sich auf Transparenzregeln verpflichten. „Jeder sollte seine Nebeneinkünfte genau offenlegen.“ Darüber hinaus müsse es eine Instanz geben, die sich mit möglichen Verstößen befassen kann: „Der Bundestag braucht eine Ethikkommission, die sich solcher Fälle annimmt.“ Derzeit prüft die Verwaltung des Parlaments lediglich, ob Strenz ihre Nebentätigkeiten ordnungsgemäß oder erst mit Verspätung beim Bundestag angegeben hat. Darüber hinaus hatten die Vorwürfe für die direkt gewählte CDU-Abgeordnete aus Mecklenburg- Vorpommern offenbar kein Nachspiel.

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