zum Hauptinhalt

Der Fall Snowden: Gaucks zweigeteilte Botschaft im Fall Snowden

Bundespräsident Joachim Gauck hat sich in der vom Whistleblower Edward Snowden aufgedeckten Ausspäh-Affäre widersprüchlich geäußert. Wie steht das deutsche Staatsoberhaupt nun wirklich dazu?

Von Antje Sirleschtov

Bis vor gut einem Jahr hat Joachim Gauck die Öffentlichkeit oft mit deutlichen Worten fasziniert. Ob er sich als „Demokratielehrer“ bezeichnete oder mit Tränen in den Augen die „Kraft der Freiheit“ pries: Pfarrer Gauck, Bürgerrechtler, Schriftsteller und später Präsidentschaftskandidat, gelang es immer wieder, sich vom diplomatisch rundgeschliffenen Politik-Kauderwelsch wohltuend abzusetzen. Nun ist Gauck Präsident und mit seiner Wortwahl einmal mehr angeeckt. Von „purem Verrat“ sprach das Staatsoberhaupt Ende vergangener Woche im ZDF-Sommerinterview, als er gebeten wurde, den amerikanischen Geheimdienstler Edward Snowden und dessen Enthüllungen über die flächendeckende Bespitzelung ausländischer Bürger zu bewerten. „Verrat“, wenn es um die Offenlegung von Vorgängen geht, die mancherorts an Methoden der Stasi in der DDR erinnern? Und das aus dem Mund des Bürgerrechtlersund Ex-Stasibeauftragten Gauck? Im Internet breitet sich seit Tagen ein Sturm der Entrüstung aus. „Gauck nennt Snowden Verräter“, heißt es da hundertfach. Dass es der Präsident am Montag als „unverzichtbar“ bezeichnet hat, dass die Vorgänge aufgeklärt werden, wird ihm nun sogar als Kehrtwende ausgelegt. Gauck, ein gedankenloser Schwätzer, der seine Position im Tagesrhythmus korrigieren muss? Wer genau hinsieht, kommt nicht umhin, sich die Frage zu stellen, auf welcher Grundlage im Netz neuerdings ganze Empörungslawinen losgetreten werden. Denn Gauck, der Präsident, hat den US- Geheimdienstler Snowden vergangene Woche mitnichten als „Verräter“ bezeichnet, weshalb es auch keine Position gibt, von der der Präsident sich abwenden müsste. Ein Blick in die Mitschrift des Interviews gibt Aufschluss: Um eine Bewertung Snowdens gebeten, hatte sich Gauck „noch mehr Informationen“ gewünscht und sogar von „Sympathie“ gesprochen, „wenn eine Regierung dabei ist, das Recht zu beugen“ und es einen gebe, „der sich aufgerufen fühlt, diese Rechtsbeugung öffentlich zu machen“. „Für puren Verrat“ indes, hatte Gauck angefügt – „dafür habe ich kein Verständnis.“ Im Berliner Präsidialamt haben die Mitarbeiter nun alle Hände voll zu tun, auf die Doppelbotschaft des Chefs hinzuweisen und den Vorwurf des „Verrats“ zu entkräften. Das Internet aber vergisst bekanntlich nichts. Joachim Gauck ist darin nun für alle Ewigkeit als der deutsche Bundespräsident eingebrannt, der dem Whistleblower Edward Snowden „puren Verrat“ vorwarf.

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false