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Politik: Der falsche Advokat

Der Eklat schien programmiert - und erst in letzter Minute ist ihm die PDS doch noch ausgewichen. Für den 25.

Von Matthias Meisner

Der Eklat schien programmiert - und erst in letzter Minute ist ihm die PDS doch noch ausgewichen. Für den 25. April hat der Bundestag die Anhörung zur Reform des Stasi-Unterlagengesetzes anberaumt. Die innenpolitische Sprecherin der PDS-Bundestagsfraktion, Ulla Jelpke, benannte Ende vergangener Woche einen Sachverständigen, der für Aufsehen sorgen musste: Eberhard Schultz, Rechtsanwalt aus Bremen, war Anfang März einer der Hauptredner bei einer Veranstaltung des Berliner PDS-Bezirksverbandes Tempelhof-Schöneberg, bei der es um die Verteidigung des Diktators Slobodan Milosevic ging. Thema der damaligen Runde im Schöneberger Rathaus: "Der Fall Milosevic - Das internationale Strafrecht und die neuen Kriege der Großmächte".

Drei Tage nach der Benennung von Schultz, Proteste im Bundestag deuteten sich bereits an, zog Jelpke den Experten zurück. "Das finde ich auch gut so", sagte erleichtert die stellvertretende Partei- und Fraktionsvorsitzende Petra Pau. Die "platte Botschaft" der Schöneberger PDS-Veranstaltung sei "verheerend" gewesen. Zwar hatten sowohl Pau als auch PDS-Fraktionschef Roland Claus mit der innenpolitischen Sprecherin über die Benennung des Sachverständigen für die Anhörung zum Stasi-Unterlagengesetz gesprochen, Jelpke aber ignorierte deren Bedenken. Sie selbst versichert: "Meine Kollegen kannten den Vorschlag und hatten zugestimmt." In anderen Fraktionen fiel die PDS-Personalauswahl rasch auf: Die PDS missbrauche die wichtige Anhörung des Bundestages "als Bühne für einen Milosevic-Fan", kritisierte der Grünen-Innenpolitiker Cem Özdemir: "Es ist eine Zumutung für die Opfer von Verfolgung und Unterdrückung, wenn sich ein erklärter Gegner der völkerrechtlichen Aufarbeitung von Diktatur-Verbrechen auf dem Ticket der PDS zum Sachverständigen über die Reform des Stasi-Unterlagengesetzes aufspielt." Der "Festvortrag" von Schultz vor Milosevic-Fans zeige, "wie die Partei mit Diktaturen umgeht", sagte Özdemir.

Tatsächlich bekam Schultz bei der Schöneberger PDS-Veranstaltung, die vom Internationalen Komitee zur Verteidigung von Slobodan Milosevic mitorganisiert war, Beifall der "Slobo"-Sympathisanten. Über den Kampf des Angeklagten Milosevic vor dem UN-Kriegsverbrechertribunal referierte der Bremer Anwalt, und das Wort "Angeklagter" war im Titel seines Vortrages in Gänsefüßchen gesetzt. Schon zuvor hatte Schultz in einem Interview der "Jungen Welt" kritisiert, das Haager Tribunal lasse Unparteilichkeit und Unabhängigkeit vermissen. Dem UN-Gericht warf der Anwalt Verstöße gegen die Grund- und Menschenrechte vor.

Jelpke mag bei ihrer Auswahl eher im Blick gehabt haben, dass Schultz auch im Stasi-Fall von Heinrich Fink, früherer Rektor der Berliner Humboldt-Universität und später als "IM Heiner" enttarnt, Erfahrungen als Verteidiger gesammelt hat. Schultz habe ihn "sehr versiert" und "wirklich ausgezeichnet" vertreten, versichert Fink. Doch für die PDS-Fraktionsspitze ist anderes wichtig. "Dieses sensible Thema muss von uns auch sensibel behandelt werden", sagte Pau mit Blick auf die Anhörung zum Stasi-Unterlagengesetz. Inzwischen hat die Vize-Fraktionschefin die Bundestags-Anhörung zur Chefsache gemacht. Sie sucht nun selbst nach einem Fachmann, der den PDS-Platz einnehmen soll - im Spektrum der DDR-Bürgerrechtler.

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