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Politik: Der FDP-Erfolg im Norden und das Risiko in der Mitte (Kommentar)

Einen Politikwechsel wollte die FDP mit der Landtagswahl verbinden, und dritte politische Kraft wollte sie werden. Das zweite ist ihr gelungen; in Schleswig-Holstein.

Einen Politikwechsel wollte die FDP mit der Landtagswahl verbinden, und dritte politische Kraft wollte sie werden. Das zweite ist ihr gelungen; in Schleswig-Holstein. Ansonsten regiert in Kiel weiter Rot-Grün, und die Freidemokraten müssen noch eine Weile durchhalten, ehe sie wieder in eine Regierung gewählt werden können. Am 14. Mai in Nordrhein-Westfalen haben sie ihre - vorhersehbar - nächste Chance. Die Ziele bleiben dieselben.

Das Votum der 2,1 Millionen Wahlberechtigten im nördlichsten Bundesland war, aufs Ganze gesehen, wieder nur eine Momentaufnahme. Die FDP darf korrekterweise diese Landtagswahl nicht anders werten als die anderen vorher. Der dritte Platz im Parteienspektrum ist nicht schon dauerhaft errungen, nicht erkämpft, sondern der liberalen Partei zugefallen durch die Begleitumstände der CDU-Affäre. Von den Sympathisanten der CDU sind Zehntausende nicht zur Wahl gegangen, 11 000 haben die FDP gewählt. Sie war einfach das kleinere Übel.

Der Grund liegt auf der Hand. Im bürgerlichen Lager ist FDP als die Partei übrig geblieben, die noch sauber wirkt, die offensichtlich keine schwarzen Kassen unterhält und die keinen Paten an der Spitze hat. Die FDP hatte schon einen Vorsitzenden, der wegen Steuerhinterziehung rechtskräftig verurteilt worden war. Aber diese Zeit liegt lange genug hinter ihr, um der Partei jetzt als Chance zu erscheinen: Sie wirbt mit dem Umstand ihrer - seinerzeit erzwungenen - Läuterung durch die Flick- und Parteispendenaffäre.

Darüber hinaus will die FDP-Spitze die Gelegenheit nutzen, ihre vorangegangenen Wahlniederlagen umzudeuten. Diese Niederlagen sollen nun der Ausweis sein für Standfestigkeit und Grundsatztreue in schwieriger Zeit, die endlich belohnt werden. FDP-Chef Wolfgang Gerhardt, angeschlagen nach der Negativ-Wahlserie, hält sich Steherqualitäten zugute, Generalsekretär Guido Westerwelle erklärt sich in seinem politischen Entwurf bestätigt. Beides ist allerdings eine Wunschvorstellung, und zwar trotz der Wahl in Schleswig-Holstein.

Die FDP will gegenwärtig schlicht beides darstellen, will die moralische Alternative zur CDU sein - und gleichzeitig Regierungspartner von Roland Koch in Hessen. Die Landespartei verfolgt Machtinteressen, die Spitze im Bund zeigt sich entsetzt. Was inhaltlich nicht recht zusammenpasst, könnte eine kluge Taktik sein. Und wäre das nicht raffiniert?

Gerhardt kalkuliert mit einer "Niederlage" gegen die Hessen-FDP. Gerhardt, der "nur der Bundesvorsitzende" ist, wie er selber sagt. Aus dieser machtlosen Position heraus kann er seine andere, lautere Meinung zu Protokoll geben. Allerdings dürfte der Parteichef sie dann am 4. März auf dem Landesparteitag auch wieder nicht so fordernd vortragen, dass die Hessen-FDP die Regierung mit Koch aufkündigt und sogar den Weg für Neuwahlen frei macht. Denn das würde fünf Jahre in der Opposition bedeuten, weil die CDU niemand anderen als Koch wieder zum Spitzenkandidaten kürt.

Die Führung der Bundespartei mag das, was bei ihr aus der Not geboren wurde, inzwischen selbst als raffiniert ansehen. Es bleiben die Delegierten, die entscheiden werden. Und die können manchmal ganz irrational entscheiden: ganz normal. Zum Beispiel, dass es wirklich einen Politikwechsel geben soll.

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