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Politik: Der Feind schreibt

„Brief an Amerika“ – hat Osama bin Laden auf die These vom gerechten Krieg geantwortet?

Von Malte Lehming,

Washington

Der Titel klingt neutral. Der Brief heißt schlicht „Brief an Amerika". Der Inhalt allerdings ist brisant. Es ist eine Mischung aus Vorwürfen, Beschimpfungen und radikalen Drohungen. Ist das Dokument echt? Das wurde zweifelsfrei noch nicht nachgewiesen. Aber alles deutet darauf hin. Diverse Arabisten gehen davon aus, dass der Terroristenführer Osama bin Laden diesen Brief geschrieben hat. Der britische „Observer“ hat das Schreiben am Sonntag vollständig abgedruckt.

Der Brief ist eine Antwort. Bin Laden reagiert damit auf jenes Manifest, mit dem mehr als 60 US-Intellektuelle – unter ihnen Francis Fukuyama, Michael Walzer, Samuel Huntington und Amitai Etzioni – im Februar dieses Jahres den Kampf gegen den Terror als gerechten Krieg legitimiert hatten. In Deutschland führte die Veröffentlichung umgehend zu einer heftigen Kontroverse.

Die arabische Welt hat das Manifest mehrere Monate später erreicht. Der Nachhall jedoch ist noch ausgeprägter als in Europa. Im Mai antworteten 153 saudi-arabische Geistliche mit ihrem eigenen Manifest, „Wie können wir zusammenleben?". Das erwiderten die Amerikaner im Oktober mit der Gegenfrage „Können wir zusammenleben?". Darin werden die islamischen Intellektuellen aufgefordert, sich vom „militanten Dschihad“ zu distanzieren. Die Antwort der Amerikaner wurde von der in London produzierten arabischsprachigen Zeitung „Al Hayat“ abgedruckt. In Saudi-Arabien wurde diese Ausgabe verboten. Trotzdem: „Zwischen Kuwait und Marokko, Jemen und Syrien gibt es kaum einen Intellektuellen in der arabischen Welt, der diese Debatte nicht verfolgt“, sagt Hassan Mneimneh, Nahost-Experte der Harvard-Universität.

Der Originalbrief bin Ladens stand ursprünglich auf einer saudi-arabischen Webseite, die von Al Qaida für ihre Botschaften genutzt wird. Britische Islamisten haben den Brief ins Englische übersetzt. Es ist die bislang umfangreichste ideologische Begründung, die bin Laden für seinen Terror geliefert hat. Dass er sich ausgerechnet jetzt in die Debatte einmischt, zeigt laut einer ersten Reaktion der amerikanischen Initiatoren des Manifests, wie sehr er danach strebt, die Meinungsführerschaft innerhalb der Islamisten zu übernehmen.

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