zum Hauptinhalt

Politik: Der Frauen Versteher - Schröder besucht die Parteibuchträgerinnen und die haben einige Fragen

Herrje, wie lang das alles her ist. 1977.

Herrje, wie lang das alles her ist. 1977. Da war zum letzten Mal ein Kanzler da, Helmut Schmidt, die Stimmung war eisig. 1988. Da hat die SPD die Quote beschlossen. Der Kanzler von heute, Gerhard Schröder, bekennt vor den Genossinnen freimütig, dass er "gelegentlich auch Anstöße gebraucht hat". Doch für die Quote, sagt Schröder stolz, hat er damals gestimmt. Es heiße ja, die damalige Chefin der SPD-Frauen, Inge Wettig-Danielmeier, habe in Münster allen über die Schulter gesehen, "aber ich habe es auch freiwillig getan".

Für eine gute Stunde besucht der Bundeskanzler und SPD-Vorsitzende die Bundeskonferenz der Arbeitsgemeinschaft Sozialdemokratischer Frauen, kurz ASF. Im Potsdamer Dorint-Hotel geht es zu wie bei allen Parteiversammlungen, lange Tische, vorn ein vielköpfiges Präsidium. Etwas mühsam, die Mandatsprüfungs- und dann auch noch die Zählkommission zu bestellen. Aber eben: an den Tischen nur Frauen. 1977 waren einige, 1988 schon sehr viele dabei. Gleich am Anfang stellt eine klar, wie es hier mit der Anrede zu halten ist: "Genossinnen." Und nicht gedankenlos: Genossinnen und Genossen. Schröder rutscht das gewohnte Doppel einmal heraus - der Saal merkt es, der Kanzler zeigt sein Bubengesicht und zieht sich heiter aus der Klemme: Matthias Platzeck, der Potsdamer Oberbürgermeister, "der sitzt hier ja auch noch".

Der Kanzler ist nicht übermäßig konzentriert. Umwunden hält er seine Rede, die nicht spritziger dadurch wird, dass er an vielen Stellen, wo im Manuskript glatte Sätze stehen, ein "wie ich glaube" oder Redewendungen von der Art einflicht, die Spitzenpolitikern automatisch von den Lippen gehen. Dass Ausbildung und Qualifikation für die Frauen wichtig sind, ergänzt er zum Beispiel um den schlagenden Gedanken, das gelte "in Vergangenheit und Gegenwart und, wie ich meine, auch in der Zukunft".

Dem Kanzler eilt der Ruf voraus, ein gediegener Macho zu sein. Und er verstellt sich nicht. Die Einstellung junger Frauen zu Beruf, Familie und Karriere habe sich gewandelt, sagt er. Das habe er vor kurzem auf dem deutschen Unternehmerinnen-Tag gespürt. "Dort", sagt Schröder, "saßen wirklich selbstbewusste Frauen." Da schallt es aus dem Saal sofort zurück: "Hier auch, hier auch." Für einen Moment gerät Schröder aus dem Konzept und findet nach kleinem Gestammel mit gesenktem Kopf den goldenen Satz: "Dort saßen auch selbstbewusste Frauen." Der Saal reagiert gnädig. Der Bundeskanzler schaut auf. Und setzt ein breites Lächeln auf: "Das ist hier immer noch verdammt vermintes Gelände." Gelächter. "Die Rede ist in der Frauenabteilung des Parteivorstands geschrieben worden." Da verzeiht die ASF-Konferenz.

Qualifikation, Beschäftigung, Vereinbarkeit von Familie und Beruf. Der sozialdemokratische Regierungschef weist seine Leistungen vor. Und lässt immer wieder einfließen, dass aller Fortschritt den Frauen, der ASF, den Ministerinnen zu verdanken ist. Die ASF wiederum will nach 16 Jahren Opposition auf diese Leistungen ebenso stolz sein wie Schröder. Ausdrücklich auf die ASF-Bilanz bezieht er sich, als es um das heikle Thema der Frauen-Repräsentanz in Regierung, Fraktion und Parteigremien geht. Die Quote ist übererfüllt, stellt er fest. Eine Genossin korrigiert ihn: Die Quote ist erst dann übererfüllt, wenn 60 Prozent aller Posten weiblich besetzt seien, denn dann sei die 40-Prozent-Quote bei den Männern verletzt. Es schmunzelt der Kanzler, und die Genossinnen klatschen Beifall. Trotzdem bleibt Schröders Befund: Die SPD müsse sich nicht verstecken - "verglichen mit der anderen Volkspartei". Der christdemokratische Name wird nicht ausgesprochen, der ein wunder Punkt für die Sozialdemokratinnen ist. "Aus einer Schwalbe", wandelt Gerhard Schröder trostreich ein bekanntes Wort ab, "ist noch nie ein Sommer geworden." Die Genossinnen stimmen ihm mit Beifall zu - obwohl bislang noch jeder Sommer mit einer ersten Schwalbe begonnen hat.

Fast eine halbe Stunde bleibt für die Diskussion. Dreimal wird nach der Steuerreform gefragt, von der Schröder nicht gesprochen hat. Was ist mit Abschaffung des Ehegatten-Splittings und der Steuerklasse V, die von der ASF seit langem gefordert wird. Listig merkt eine Genossin an, dass man mit Finanzminister Oskar Lafontaine ja beinahe so weit gewesen wäre, das anzukratzen. Schröder steht zum Dissens und verspricht ein weiteres Gespräch. "Ich muss nach Paris. Ich muss arbeiten." Der Kanzler verlässt den Saal. Beifall. Wie hat er am Schluss seiner Rede gesagt? "Nehmt das so, wie ich es gesagt habe. Es ist ehrlich gemeint."

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false