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Politik: Der Friedensbewegte

Heute wird Erhard Eppler 80 Jahre alt – für seine SPD war er meist unbequem

Von Matthias Schlegel

Berlin - Einer wird fehlen, wenn Erhard Epplers 80. Geburtstag mit beträchtlicher Verspätung am 20. Januar in Bad Boll offiziell gefeiert wird: Helmut Schmidt. Im Juli 1974 war Eppler als Minister für wirtschaftliche Zusammenarbeit aus dem Bonner Kabinett des neuen Bundeskanzlers Schmidt ausgetreten. Quälende Auseinandersetzungen über den Kurs der Bundesregierung und die Grundwerte der SPD haben sie entzweit: den auf wirtschaftliches Wachstum setzenden Hamburger und den nicht zuletzt aus christlicher Verantwortung an einem ungezügelten globalen Markt zweifelnden Schwaben. Die vorgesehene Kürzung des Entwicklungshilfebudgets ist schon wenige Wochen nach Schmidts Amtsantritt als Kanzler der äußere Anlass, dass Eppler nach sechs Ministerjahren den Bettel hinwirft. Mittlerweile herrscht seit über zweieinhalb Jahrzehnten Funkstille zwischen beiden SPD-Granden.

Was Eppler mit Blick auf sein Lebenswerk einmal mit durchaus aufrichtigem Understatement als „Bruchstücke“, als „offenkundiges Stückwerk“ beschrieb, war nicht weniger als vernetztes politisches Denken und Handeln auf den schier unüberschaubaren und weithin verminten Feldern gesellschaftlicher Wirklichkeit: der Friedens-, Umwelt- und Entwicklungspolitik, der Deutschland- und Ostpolitik. Die Podien, die er nutzte, waren nicht allein Parlamente und Regierungen, sondern es war auch die evangelische Kirche mit ihren Möglichkeiten, den Menschen nahe zu sein – im Westen wie im Osten. Zwei Mal fungierte er als Kirchentagspräsident. Dass daneben auch die Kommunalpolitik und die Steuerpolitik sein Metier waren, ist heute schon fast vergessen. Zweimal, 1976 und 1980, scheiterte er als SPD-Spitzenkandidat bei der Landtagswahl in Baden-Württemberg.

Den in Ulm Geborenen und in Schwäbisch Hall Aufgewachsenen zieht es zunächst in den Schuldienst. Deutsch und Geschichte lehrt Eppler, ehe er 1961 in den Deutschen Bundestag einzieht. Fünf Jahre zuvor hatte er Gustav Heinemanns Gesamtdeutsche Volkspartei verlassen und war zur SPD übergewechselt. Dass er sich selbst später als „angelernten Sozialdemokraten“ bezeichnete, spricht von seiner Schwierigkeit, heimisch zu werden in dieser Partei, die ihn vor allem während der Zeit der sozialliberalen Koalition zu einem unverbesserlichen Querulanten stempelte. Zur Zerreißprobe kam es schließlich, als Bundeskanzler Schmidt Ende der 70er Jahre aus der Überzeugung, dass nur ein Gleichgewicht der Stärke den militärischen Konflikt zwischen Ost und West verhindern könne, für den Nato-Doppelbeschluss plädierte. In Erhard Eppler, der in einer Biografie als „Promoter der deutschen Friedensbewegung“ bezeichnet wurde, findet er einen hartnäckigen innerparteilichen Widerpart. Am 10. Oktober 1981 versammeln sich 300 000 Friedensbewegte auf der Bonner Hofgartenwiese, um gegen die Nachrüstung zu protestieren.

Erst der Bewusstseinswandel in der SPD nach dem Verlust der Regierungsverantwortung 1982 bindet „Pietcong“, wie der bärtige Mann mit der Baskenmütze von Herbert Wehner genannt wird, wieder stärker in die Partei ein. Doch ein Angepasster wird er nie werden. Er profiliert sich und die Partei in der Grundwertekommission, die er von 1973 an fast zwei Jahrzehnte lang leitet.

Und wieder eckt er an, wieder erlebt er Enttäuschungen: Ein gemeinsames Streitpapier SPD/SED, das in den 80er Jahren den Weg zu Reformen in der DDR ebnen soll, wird auch innerhalb der SPD als verdächtige Kungelei mit dem Regime in Ost-Berlin angesehen. Und im Honecker-Staat stoßen Eppler und seine Mitstreiter immer wieder an die eisernen Grenzen eines „Wandels durch Annäherung“: Solange sich die Nähe zur SPD ideologisch wohlfeil vermarkten lässt, sind Honeckers Propagandisten eifrig dabei. Doch um den Lohn von Veränderungen im eigenen Land prellen sie die Initiatoren des Papiers ein ums andere Mal. Eppler kritisiert es – ergebnislos.

Viel später demonstriert der vermeintliche Parteilinke noch einmal, dass er eben nicht so leicht einem Flügel zuzuordnen ist: Als 2003 Bundeskanzler Gerhard Schröder wegen der Agenda 2010 von der linken Seite Entsetzen und Empörung entgegenschlägt, ist es Eppler, der dem „Basta“-Kanzler die Mehrheit sichert – „mit der Autorität seiner Persönlichkeit“, wie Schröder in seinen Memoiren schreibt. mit dpa

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