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Politik: Der friedliche Dulder

Hessens Linksfraktionschef van Ooyen will eine rot-grüne Regierung aus der Opposition heraus stützen

Willi van Ooyen, Fraktionschef der Linken im hessischen Landtag, scheint das Leben zu genießen. Der rundliche Mann strahlt, als er über seinen Urlaub im französischen Médoc berichtet. „Die Reserven sind aufgefüllt“, versichert er schmunzelnd und zeigt zwei Rotweinkisten im Garderobenschrank. Dass Alkohol kein Thema für den frühen Morgen sei, will der 61-jährige Linksparteipolitiker nicht gelten lassen. In den 60er Jahren, in der Zeit der ersten Ostermärsche, habe er regelmäßig mit dem damaligen hessischen Kirchenpräsidenten Martin Niemöller gefrühstückt. „Zwei Aquavit zum Auftakt“, darauf habe der ehemalige U-Boot-Kommandant und spätere Bündnisgenosse in der Friedensbewegung bestanden.

„Mir kann keiner“ – das ist die Botschaft des Parlamentsneulings, der zu einer Schlüsselfigur in der hessischen Landespolitik geworden ist. Für die hessische CDU ist er ein „gefährlicher Marxist im Gewand des Biedermanns“. Sie warnt davor, dass „Altkommunisten und Verfassungsfeinde“ Einfluss auf die hessische Landesregierung erhalten könnten. SPD und Grüne sind dagegen auf die Stimmen der sechs Linken im Landtag angewiesen, wollen sie Ministerpräsident Roland Koch (CDU) ablösen. Fraktionschef van Ooyen hofft, dass Andrea Ypsilanti den Schritt wagt, vor dem die CDU und die Berliner SPD-Spitze warnen. Zuversichtlich berichtet er von einem neuen Erfolg bei den „vertrauensbildenden Maßnahmen“ zwischen den Parteien. Die sechsköpfige Landtagsfraktion der Linken habe bei ihrer jüngsten Sitzung das Angebot der SPD-Chefin zu einem Gespräch angenommen, sagte van Ooyen dem Tagesspiegel.

In seinem Büro unter dem Dach zeigt er Flagge. Ein Plakat mit der Friedenstaube, eine Fahne mit dem Schriftzug „PACE“ in den Farben des Regenbogens. Die CDU hält dem Friedensaktivisten seine Vergangenheit vor. Die DDR und deren Staatssicherheitsdienst hätten die Deutsche Friedensunion mit Millionenbeträgen unterstützt, van Ooyen habe auf Erich Honeckers Lohnliste gestanden, so CDU-Fraktionschef Christean Wagner. Geldbeschaffung sei nie sein Ding gewesen, dafür habe er sich nie interessiert. Diese Haltung sei möglicherweise naiv gewesen, räumt er ein; wichtiger sei doch, dass er nie abhängige Politik gemacht habe, so van Ooyen.

Noch hat er die Hoffnung nicht aufgegeben, dass der im Wahlkampf versprochene Politikwechsel doch gelingt. Seine Fraktion habe sich als zuverlässig erwiesen, zum Beispiel bei der Abschaffung der Studiengebühren in Hessen. Die Linke habe die „Uni-Maut“ eigentlich rückwirkend abschaffen wollen, sich aber als kompromissbereit erwiesen. Für die Wahl einer sozialdemokratischen Ministerpräsidentin stellt die Partei keine Bedingungen. Allerdings müsse im Programm einer rot-grünen Minderheitsregierung erkennbar werden, dass ein Wandel hin zu mehr sozialer Gerechtigkeit angestrebt werde, so der parteilose Fraktionschef. Er erwartet zum Beispiel, dass in Hessen die Ein-Euro-Jobs abgeschafft und mit Hilfe eines Landesprogramms in ordentliche Beschäftigungsverhältnisse umgewandelt werden. Die Aussagen seines Fraktionskollegen und ehemaligen Landesvorsitzenden der Linken, Ulrich Wilken, man werde weder auf die Kabinettsliste noch auf den Koalitionsvertrag Einfluss nehmen, relativiert van Ooyen gegenüber dem Tagesspiegel. Trotzdem sei er zuversichtlich, dass die Wahl einer neuen Ministerpräsidentin nicht an seiner Fraktion scheitern werde. Eine echte Regierungskoalition mit SPD und Grünen indes schließt er aus. Die junge Partei, in der sich Menschen aus ganz unterschiedlichen Lagern zusammengefunden hätten, drohe durch eine Regierungsbeteiligung den Oppositionsgeist zu verlieren und zu verkümmern, glaubt van Ooyen.

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