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Gemeinsame Anliegen. Premierminister Ivica Dacic (l.) und sein Stellvertreter Aleksandar Vucic (r.) bei einer Gedenkveranstaltung für serbische Kriegsopfer. Foto: dpa

© picture alliance / dpa

Politik: Der größte anzunehmende Ernstfall

Serbiens Koalition will weiterregieren – obwohl Premierminister Ivica Dacic Kontakte zur Drogenmafia eingestehen musste.

Berlin/Zagreb - Er konnte sich ganz von seiner generösen und staatsmännischen Seite zeigen. Obwohl seine Partei derzeit davon am meisten profitieren würde, werde er von Neuwahlen absehen, sagte der serbische Vizepremier Aleksandar Vucic am Montag. Denn seiner Fortschrittspartei (SNS) seien die Interessen des Staates und der Bevölkerung ein noch größeres Anliegen als die Partei. Die SNS, die stärkste Partei in der serbischen Regierung hatte noch kurz gedroht, den Koalitionspartner, die Sozialisten (SPS) unter Premier Ivica Dacic, fallen zu lassen.

Am Wochenende berichteten serbische Medien, dass Premier Dacic 2008 eines der Mitglieder eines Drogenrings getroffen hatte. Dacic musste dies am Wochenende auch zugeben – und stürzte die erst seit Juli 2012 regierende Koalition seiner reformierten Milosevic-Partei mit der nationalistischen Fortschrittspartei in eine tiefe Krise. Erst am Freitag hatte Justizminister Nikola Selakovic von der SNS bei einem Besuch in Berlin dem Kampf gegen Korruption und Organisierte Kriminalität höchste Priorität eingeräumt. „Es gibt in Serbien keine unantastbaren Personen mehr“, sagte der 29 Jahre alte Minister dem Tagesspiegel. Dies gelte für Opposition und Regierungslager gleichermaßen. „Jeder, gegen den die zuständigen Behörden Beweise vorlegen können, dass er gegen Gesetze verstoßen hat, muss sich verantworten“, sagte Selakovic weiter. In seinem Ministerium würden derzeit gleich mehrere Strategien gegen Korruption und Organisierte Kriminalität ausgearbeitet. Das wichtigste Prinzip laute dabei: null Toleranz.

Einen Tag später trat mit den Vorwürfen gegen Dacic bereits der wohl größte anzunehmende Ernstfall für diese Politik ein. Laut der serbischen Zeitung Blic soll Radulovic den Premierminister bei dem bekannt gewordenen Treffen über polizeiliche Untersuchungen gegen den Kokainkönig des Balkan, Darko Saric, ausgefragt haben. Dacic, der zum damaligen Zeitpunkt Innenminister der Vorgängerregierung war, betonte am Samstag, er habe nicht gewusst, dass Rodoljub Radulovic alias „Misha Banana“ ein Mitglied der Kreise rund um Saric sei. Im Hintergrund der Affäre geht es wohl auch um einen seit der Regierungsbildung vor sechs Monaten schwelenden Machtkampf zwischen Dacic und seinem Gegenüber am Kabinettstisch, Vucic, der für die Bekämpfung der Korruption und Organisierten Kriminalität zuständig ist.

Die Vorwürfe, die über Medien lanciert wurden, sind schwerwiegend: So soll Dacic über die Schmuggelaktivitäten des Schiffsbesitzers Radulovic bereits 2008, als er ihn traf, Bescheid gewusst haben. Laut Telefonprotokollen, die auf 130 CDs gespeichert sein sollen, wurde der ehemalige Sprecher von Slobodan Milosevic innerhalb des Drogenrings „Genosse“ genannt. Dacic und sein Kabinettschef sollen von Radulovic außerdem zwei abhörsichere Blackberrys erhalten haben.

Während die oppositionelle DSS des früheren Präsidenten und Premiers Vojislav Kostunica den Rücktritt von Dacic verlangte, schloss Vucic am Montag ebenfalls nicht aus, dass sich die Haltung zum Koalitionspartner noch ändern könne. „Die SNS wird das Prinzip nicht aufgeben, dass keiner geschützt ist“, versuchte der derzeit beliebteste Politiker Serbiens einmal mehr sein Image als Bekämpfer der Korruption zu unterstreichen.

Unklar ist, wer die Informationen über Dacics Kontakte an die Öffentlichkeit weitergab – denn die Geheimdienste waren offensichtlich seit langem informiert. Vergangene Woche berichtete jedenfalls das serbische öffentliche Fernsehen RTS über die 130 CDs mit Überwachungsmaterial der Polizei. Dacic bezeichnete das Durchsickern dieser Informationen als einen Versuch, ihn selbst und die Regierung zu diskreditieren. Gegen Radulovic wurde in Serbien im Übrigen im Vorjahr eine Anklage wegen des Schmuggels von 1,8 Tonnen Kokain erhoben. Ulrike Scheffer/Adelheid Wölfl

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