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Viele Muslime demonstrieren gegen die Terrormiliz der IS.

© dpa

Der "Islamische Staat" und der Westen: Muslime in Deutschland verurteilen den "Islamischen Staat"

Nun verurteilen auch die Dachverbände der Muslime in Deutschland den Terror der IS-Milizen. Der sei nicht mit dem Islam vereinbar. Am 19. September rufen sie zu Großkundgebungen gegen die Gewalt im Nahen Osten auf – und gegen den Hass hierzulande

Am Wochenende haben die sechs wichtigsten britischen Imame eine Fatwa erlassen gegen den „Islamischen Staat“ (IS) und deren aus Europa kommende Kämpfer. „Der Islamische Staat ist eine ketzerische und extremistische Organisation. Es ist aus religiösen Gründen verboten, ihr beizutreten“, heißt es in dem theologischen Gutachten. Es sei die Pflicht aller britischen Muslime, diese „vergiftete Ideologie“ abzulehnen. Es ist die bisher schärfste Verurteilung des IS-Terrors durch europäische Muslime.

Am Dienstag haben dann auch die Leiter der sechs deutschen Zentren für islamische Theologie dazu aufgerufen, die Deutungshoheit über den Islam „nicht Extremisten und Gewalttätern“ zu überlassen. „Deutungen des Islam, die ihn zu einer archaischen Ideologie des Hasses und der Gewalt pervertieren, lehnen wir strikt ab und verurteilen diese aufs Schärfste“, heißt es in der Erklärung der sechs Professoren.

Bereits Anfang August hatte Aiman Mazyek, der Vorsitzende des Zentralrats der Muslime in Deutschland, seine Glaubensgeschwister eindringlich aufgerufen, sich gegen religiös motivierte Gewalt zu engagieren. „Wo bleibt unser Aufschrei gegen die Schande?“, fragte er. Zunächst verpuffte sein Appell. Die islamischen Verbände hatten andere Sorgen: Innerhalb der vergangenen zwei Wochen wurden in Bielefeld, Wuppertal, Berlin und Oldenburg sechs Brandanschläge auf Moscheen verübt.

Zunächst war der allgemeine Aufschrei ausgeblieben

Nun rufen die vier größten islamischen Verbände zu bundesweiten Mahnwachen gegen die Gewalt im Nahen Osten und gegen Hass in der Bundesrepublik auf. Am 19. September soll es unter dem Motto „Muslime stehen auf – gegen Hass und Unrecht“ Großkundgebungen unter anderem in  Bielefeld, Mölln und Berlin geben. „Wir alle haben Angst vor Gewalt, Hass und Fanatismus. Dagegen müssen wir gemeinsam vorgehen“, sagt Aiman Mazyek und betont gleichzeitig, dass alle Bürger aufgerufen seien, mitzudemonstrieren.

Die islamischen Dachverbände in Deutschland verurteilen den IS. Die Türkisch-Islamische Union der Anstalt für Religion (Ditib) hatte schon vor drei Wochen das Morden der Dschihadisten in einer Pressemitteilung als unislamisch kritisiert. Ditib unterhält die meisten türkischsprachigen Moscheen hierzulande.

Auch Mili Görüs meldete sich vor drei Wochen zu Wort: Die „barbarischen Handlungen“ des Islamischen Staats seien entsetzlich und „weder mit dem Islam noch universellen Werten vereinbar“. Jetzt, also drei Wochen später, redet sich Generalsekretär Mustafa Yeneroglu am Telefon in Rage: „Der IS ist eine Bande enthemmter Sadisten, mit denen man kurzen Prozess machen muss. Die Lage ist sehr ernst.“ Was in der islamischen Welt passiere, sei insgesamt eine „dramatische Tragödie“. Ihn treibe die Angst um, extremistische Salafisten könnten sich auch in der Türkei festsetzen. Türkische Internetseiten, die mit dem IS sympathisieren, würden geduldet. Das verstehe er nicht.

„Wir sind entsetzt über das, was da im Irak passiert“, sagt auch Ali Kizilkaya, der Vorsitzende des Islamrates. Der IS missbrauche die Religion und stehe mit seiner Auslegung des Koran unter den Muslimen ziemlich alleine da. Der Terror der Fanatiker richte sich ja nicht nur gegen Christen oder Jesiden. „Die meisten Opfer der IS-Milizen sind wir gemäßigten Muslime, die nicht in ihr Weltbild passen.“

Die Vertreter der Islam-Verbände fürchten zudem, dass durch die Bilder aus dem Irak die Entfremdung zwischen Muslimen und Nichtmuslimen in Deutschland weiter zunimmt. „Der IS zieht den Islam weltweit in den Schmutz“, sagt Kizilkaya. „Ich kann es niemandem verübeln, wenn er schlecht über den Islam denkt angesichts dieser Bilder und Nachrichten“, sagt auch Mustafa Yeneroglu von Mili Görüs. Ausbaden müssten das die Muslime in der ganzen Welt.

Gegen Hass, Gewalt und Fanatismus müssen wir gemeinsam vorgehen

Es gibt aber auch Organisationen, die nur spärlich Auskunft geben. Die der Muslimbruderschaft nahe stehende Islamische Gemeinschaft Deutschland (IGD) zum Beispiel. Sie geißelt auf ihrer Internetseite zwar unübersehbar das „barbarische Vorgehen der israelischen Armee in Gaza“. Zum Terror des IS findet man kein Wort. Eine Anfrage wird erst Tage später beantwortet:  „Die Taten von IS sind als barbarisch und menschenverachtend zu bezeichnen. Sie sind in keiner Weise religiös legitim“, schreibt der Vorsitzende. Man arbeite daran, die Muslime aufzuklären, um sie nicht von der Praxis und Ideologie des IS „verwirren zu lassen“.

Imame, die sich in ihren Predigten gegen den Islamischen Staat aussprechen, berichten, dass sie in den sozialen Medien oder per SMS von Dschihadisten als „Ungläubige“ beschimpft und bedroht werden. Die von der Bundesregierung beschlossenen Waffenlieferungen an die Kurden hält übrigens kein Verband für eine gute Idee. „Das Risiko, dass sie in die falschen Hände geraten, ist zu groß“, sagt Ali Kizilkaya und warnt vor schlimmeren Folgen für die Region und die Menschen. Alle Hoffnungen richten sich auf die Vereinten Nationen. „Der IS ist eine Mordmaschinerie“, sagt Mustafa Yeneroglu, „wie lange dauert es noch, bis die Weltgemeinschaft eingreift?“ Er habe das Gefühl, die Politiker seien genauso hilflos wie er als Bürger.

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