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Politik: Der kahle Kontinent

In Kongo, Gabun und Kamerun werden immer mehr Urwälder abgeholzt. Kritik daran lehnen die Afrikaner als Einmischung ab

Von Wolfgang Drechsler,

Kapstadt

Lange sind auf dem Flug von Kinshasa nach Norden nichts als bewaldete Hügel zu sehen. Keine offenen Flächen, keine Dörfer, nicht einmal eine einsame Sandstraße. Nur das grüne Dach des Regenwaldes, das sich wie eine dunkle Decke bis zum Horizont spannt. Doch je mehr sich der Flieger dem westafrikanischen Kamerun nähert, desto öfter lassen sich am Boden Flecken ausmachen, die allmählich zu riesigen offenen Wunden werden. Es sind die Rodungsinseln der großen internationalen Holzfirmen.

Noch ist der zwischen Kongo und Kamerun gelegene Urwald die zweitgrößte zusammenhängende Regenwaldfläche der Welt – gleich hinter dem Amazonas-Raum. In dem Streifen zwischen Zentral- und Westafrika liegen rund 20 Prozent der weltweit verbliebenen Regenwälder. Allerdings werden davon jedes Jahr rund 4 Millionen Hektar abgeholzt. Wenn dieser Raubbau nicht umgehend eingeschränkt und kontrolliert wird, dürften die 15 000 Jahre alten Wälder bis 2020 weitgehend verschwunden sein. Der grünen Lunge der Erde droht die Intensivstation.

Die luftige Sicht auf den westafrikanischen Küstenstaat lässt erahnen, weshalb Kamerun inzwischen zum größten Holzlieferanten in Afrika geworden ist. In seinem Innern gibt es kaum noch Areale, in denen nicht massiv Holz geschlagen wird. 1999 produzierte die frühere deutsche Kolonie nach Angaben der International Tropical Timber Organisation fast 3 Millionen Kubikmeter Nutzholz und damit über 10 Prozent mehr als noch drei Jahre zuvor. Das benachbarte Gabun lieferte 2,5 Millionen Kubikmeter Holz und lag damit in Afrika an zweiter Stelle.

Dramatisch könnte die Lage auch schon bald in Kongo werden. Im vorigen Jahr verzeichnete der zentralafrikanische Staat den größten Verlust an Waldfläche auf dem Kontinent. Nach Plänen der kongolesischen Firma Socebo, die von Regierungs- und Armeevertretern aus Simbabwe kontrolliert wird, sollen im Kongo mehr als 30 Millionen Hektar Regenwald abgeholzt werden – ein Areal, das größer als Deutschland und Österreich zusammen ist. Simbabwe hat die Regierung im Kongo in den vergangenen Jahren bei ihrem Kampf gegen Rebellengruppen militärisch unterstützt und wird im Gegenzug von den Machthabern in Kinshasa mit Bodenschätzen und anderen Naturalien entlohnt.

Die drohende Zerstörung eines der weltweit letzten intakten Ökosysteme hat auch den World Wide Fund for Nature (WWF) auf den Plan gerufen. Statt eine medienwirksame Kampagne zu starten, hofft der WWF, die Präsidenten der zentralafrikanischen Länder mit finanziellen Anreizen zum Einlenken bewegen zu können. Besonders große Hoffnung setzt der WWF in eine neu geschmiedete Allianz mit der Weltbank. Seit einiger Zeit achtet die Washingtoner Finanzinstitution bei der Vergabe von Hilfsgeldern besonders genau darauf, ob sich die Nutzung der Regenwälder an den Kriterien der Nachhaltigkeit orientiert – oder ob die Ausbeutungslizenzen wie in der Vergangenheit von dem jeweiligen Präsidenten an persönliche Freunde und Parteigänger vergeben werden.

Besonders großes Kopfzerbrechen bereitet dem WWF das enorme Ausmaß der Korruption. Oft werden Konzessionen von einem System vergeben, das Firmen allein nach dem Kriterium auswählt, welche Anreize sie den zuständigen Behörden gewähren. „Die bisherige Verteilung der Konzessionen ist Gift für langfristig denkende Unternehmen“, sagt ein Entwicklungshelfer. Ebenso bedenklich stimmt, dass viele Firmen nur in Ausnahmefällen bei der Arbeit im Urwald kontrolliert werden. Dies wäre schon deshalb ratsam, weil die Abholzung oft versteckt erfolgt. Zwar sind die Holzfirmen meist nur an wertvollsten Hölzern interessiert, doch sind die Umweltschäden dadurch nicht weniger gravierend. Schon beim Herausschleifen der Bäume wird nicht selten ein Zehntel der Waldfläche beschädigt.

Dass sich der Kampf um den Erhalt der letzten Regenwälder so schwierig gestaltet, liegt aber auch daran, dass viele Afrikaner nicht einsehen, warum sie die eigenen Ressourcen nicht in ihrer Gesamtheit nutzen und meistbietend verkaufen sollen. Viele glauben, dass ihr Land über mehr als genug Holz verfügt – und entsprechend scharf verurteilen sie die Intervention des WWF als „neokolonialistisch“. Der Westen habe zur eigenen Entwicklung schließlich auch seine Wälder abgeholzt.

Der WWF macht geltend, dass es die Einheimischen selbst sind, die langfristig den Preis für die rücksichtlose Ausbeutung eigener Ressourcen zahlen. Schon jetzt sind in Westafrika 90 Prozent des heimischen Regenwalds verschwunden. Die abgeholzten Flächen werden später nur selten zum Ackerbau genutzt. Oft bleiben sie brach liegen und veröden – mit verheerenden Folgen für die dort lebenden Menschen.

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