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Politik: Der kann zurücktreten

STEFFEL UND DIE CDU

Von Lorenz Maroldt

Was für ein Abgang. Nach Monaten härtester, erbitterter, zuweilen bösartiger Kämpfe um die Macht in der Berliner CDU bedankt sich Frank Steffel „für die Unterstützung, Loyalität, freundschaftliche Verbundenheit und das Engagement von vielen Menschen innerhalb und außerhalb von Fraktion und Partei“, und das auch noch „herzlich“. Bleibt dem ungeliebten CDUFraktionsvorsitzenden am Ende nur noch bittere Ironie – oder meint er das vielleicht sogar ernst?

Bei Steffel drängt sich nicht zum ersten Mal der Eindruck auf, dass er parteipolitisch in einer ganz eigenen, eher engen Welt lebt. In dieser Welt hat er aus seiner Sicht fast alles richtig gemacht. Es haben ihn nur leider nicht alle verstanden, und deshalb einige loswerden wollen. Seine Unterstützer, ob nun die lauten oder stillschweigenden, die überzeugten oder die nutznießenden, haben wiederum das nicht verstanden. So scharten sie sich um den Netzwerker Steffel und schenkten ihm treu den Glauben, sehr stark zu sein, allen Feinden zum Trotz. Dafür ein ehrlicher, herzlicher Dank?

Andererseits wäre Steffel kaum Spitzenkandidat und Fraktionschef geworden, wenn er nicht auch über politischen Killerinstinkt verfügte. Und der hat ihn ganz offenbar nicht verlassen. Steffel bleibt Abgeordneter des Landesparlaments, bleibt Vorsitzender der starken CDU Reinickendorf, und er will, das vor allem, den Termin bestimmen, an dem sein Nachfolger zur Wahl steht. Ganz schnell soll das plötzlich gehen, viel zu schnell jedenfalls für seine Gegner, um sich darauf berechenbar einzustellen. Der herzliche Dank ist vergiftet, denn er geht an die Gegner. Der angekündigte Rücktritt stellt sich als neue Kampfansage heraus.

Nach Stölzl, der vor kurzem erklärte, nicht mehr Landesvorsitzender sein zu wollen, nun also Steffel. Es scheint fast so, als griffen die zerstrittenen Lager der Berliner CDU mit Lust und Tücke zu einem neuen, perfiden Mittel der Gegnerdemontage: dem politischen Scheinselbstmord. Als Landesvorsitzender vermochte Stölzl gegen Steffel nichts auszurichten. Erst die Inszenierung seines Rücktritts als Folge einer behaupteten Intrige setzte jene Dynamik frei, die nun auch Steffel aus dem Amt reißt. Der hat schnell gelernt. Als Fraktionsvorsitzender konnte er seinen Widerpart Peter Kurth nie so recht abschütteln. Zuletzt setzte der sogar an, Steffels Wunschkandidaten für das Amt des Landesvorsitzenden, Mittes Bürgermeister Joachim Zeller, mutig zu überholen. Jetzt hält ihm Steffel ganz überraschend, ganz schnell auch noch den Fraktionsvorsitz hin – und hofft, dass sich Kurth schon daran verschluckt. Sein mögliches Kalkül: Tritt Kurth vorschnell an und verliert, ist wahrscheinlich kurz darauf auch das Rennen um den Landesvorsitz für ihn gelaufen. Tritt er an und gewinnt, drängen die Unterlegenen und Unberechenbaren mit guten Erfolgsaussichten auf eine Kompensation bei der Wahl zum neuen Landesvorstand, und Kurth wäre dort auch so außen vor. Verzichtet Kurth aber auf eine Kandidatur um den Fraktionsvorsitz, wiederbelebt er selbst das lästige Klischee vom zaudernden Könnte-mal-Politiker. Das war er gerade erst, mit der Ankündigung, sich um die Nachfolge Stölzls zu bewerben, glücklich losgeworden. Ein Klassiker politischen Taktierens: Steffel geht genau jetzt, um bleiben zu können. Aus der zweiten Reihe schießt sich’s besser.

Was das mit dem Wohl Berlins zu tun haben soll, dem Steffel dienen zu wollen behauptet, weiß wohl nicht mal er selbst. Der scheidende Fraktionsvorsitzende nimmt mit seinem Verhalten eine weitere Beschädigung der eigenen Partei ganz bewusst in Kauf, nach dem Motto: Wenn ich schon verliere, dann soll der Feind nicht auch noch gewinnen. Dafür steht der Zeitdruck, den Steffel ohne guten Grund versucht zu erzeugen, dafür steht seine Ankündigung, er werde sich weiterhin „engagieren“. Man darf das getrost als Drohung verstehen: Steffel bemüht sich mit allen Mitteln, seinen Einfluss in der Partei zu bewahren. Am Ende seiner Karriere sieht er sich nicht.

Berlins CDU hat die Wahl: Will sie noch etwas weiter experimentieren? Dann kann sie getrost Steffels Logik folgen. Wenn aber nicht, muss sie sich vorerst ganz von ihm lösen. Ob sie sich traut? Steffel sagt bestimmt nicht Danke.

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