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Die undatierte Aufnahme zeigt den YouTuber Rezo.

© Privat/dpa

Der Kevin, der Tiemo und der Lars: Wie die SPD bei Rezo plötzlich etwas richtig machte

„Uns hat eure Kritik erreicht.“ Im Umgang mit dem Youtuber Rezo hat die SPD sehr viel souveräner reagiert als CDU-Chefin Annegret Kramp-Karrenbauer.

Von Robert Birnbaum

Die SPD hat ja gerade keinen leichten Stand, aber alles falsch gemacht haben sie nicht. Jedenfalls, was Rezo angeht. Der Youtuber, der den Europawahlkampf aufmischte, hat in einer Serie von Tweets seinen Kritikern geantwortet. Das Gesprächsangebot der SPD nimmt der 26-Jährige an, bittet freilich um Verständnis, dass er nicht auf offener Bühne reden will – er habe dort ein Problem mit Stottern. Annegret Kramp-Karrenbauer und ihrem General Paul Ziemiak hingegen stellt er eine Vorbedingung: Die CDU-Spitze müsse sich vorher zum „deutlichen Kurswechsel“ in der Klimapolitik bekennen so wie „Kevin, Tiemo und Lars“ von der SPD.

Die drei Herren heißen mit Nachnamen Kühnert, Wölken und Klingbeil. Der Juso-Chef, der Europaabgeordnete und der SPD-Generalsekretär hatten in einem Video auf Rezos „Zerstörung der CDU“ reagiert – schließlich verdammte der Blauschopf die Sozialdemokraten genauso als notorische Klima-Killer.

Aus dem Auftritt des Trios einen „deutlichen Kurswechsel“ der alten Kohle-Partei herauszuhören, verlangt allerdings guten Willen. Rezo muss in Aachen nur vor die Tür gehen, um deren Wirken im Braunkohlerevier zu besichtigen. Die Bereitschaft, Generalsekretärssätze zum Klimaschutzgesetz als Wende zu deuten, dürfte aber befördert worden sein durch Klingbeils Einleitung: „Uns hat eure Kritik erreicht.“

Klingbeil war Netzpolitiker und kennt sich aus

Was zeigt: Der SPD-General hat seine Zeit als Netzpolitiker nicht vergessen und weiß um den Wert, den die digitale Jugendszene auf Respekt legt. Das mag für alle befremdlich klingen, die das Netz als Ort der wüsten Worte wahrnehmen. Aber zwischen Wutbürger-Ausfällen und ironischem Jargon liegen Welten. Alle, die sich über die „Zerstörung“ aufgeregt haben, lässt Rezo denn auch freundlich wissen, es gehe nicht um die Abschaffung der Volksparteien – „sie können sich auch einfach ändern. Das wäre doch besser für alle“.

Ändern müssen sie jedenfalls ihren Blick auf die Netzkultur. Die ist provokant, notorisch aufgeregt, neigt zu maßloser Übertreibung, schaut nicht genau hin. Aber dem Dauerkarneval nur mit Kopfschütteln zu begegnen, wäre für die Parteien so fatal wie die Verachtung, mit der ihre Vorväter langhaarige Umwelt-Demonstranten abtaten.

Will man einen ganz weiten Bogen spannen, rächt sich die damalige Ignoranz bis heute. Der politisierte Youtube-Clown hat das besser erkannt als die, die er herausfordert: „Ich bin nicht der Grund“ für den Wahlausgang, schreibt Rezo. „Das Wahlergebnis ist genau wie der Erfolg meines Videos nur Symptom.“

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