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Politik: Der König und der kleine Felsen

Von Ralph Schulze, Madrid Für „Majestätsbeleidigung“ drohen in Marokko fünf Jahre Gefängnis. Der junge König Mohammed VI.

Von Ralph Schulze, Madrid

Für „Majestätsbeleidigung“ drohen in Marokko fünf Jahre Gefängnis. Der junge König Mohammed VI., der vor drei Jahren von seinem verstorbenen Vater Hassan II. die Krone übernahm, fürchtet offenbar seine Kritiker. Vor kurzem ließ er ein Presse- und Zensurgesetz beschließen, das harte Strafen für drei schwere Vergehen vorsieht: „Diffamierung“ des Königshauses, des Islam und der „territorialen Integrität“ Marokkos. Der Gesetzesknüppel wird nicht ohne Grund geschwungen – die öffentliche Kritik an „M 6“, wie ihn das Volk salopp nennt, nimmt zu.

Zur sakrosankten „territorialen Integrität“ des Königreiches gehört neuerdings auch die von Spanien beanspruchte Insel „Perejil“ (Petersilie) – jener Felsen, den marokkanische Soldaten am Donnerstag besetzt hatten. Dies beschwor die wohl heikelste Krise mit Madrid und gleich der ganzen EU herauf, dem wichtigsten Wirtschaftspartner Marokkos. Spanien und die EU forderten am Montag erneut die Räumung der besetzten spanischen Insel. Der spanische Ministerpräsident José Maria Aznar sagte, es sei zwingend, den Status quo wiederherzustellen.

Unter das Stichwort „territoriale Integrität“ fällt aber auch die an Marokko angrenzende Westsahara, die sich Mohammeds Vater, Hassan II., vor einem halben Jahrhundert rechtswidrig unter den Nagel gerissen hatte. „Wir werden auf keine Handbreit der Westsahara verzichten“, bekräftigte Mohammed den Konfrontationskurs seines Vaters.

Dabei war von dem Generationswechsel auf dem Thron erwartet worden, dass alles besser würde im Land: mehr Demokratie, mehr Diplomatie, mehr Wohlstand. Doch die Reformen beschränken sich auf populistische Gesten. Hierher gehört die Hochzeit des Monarchen, die in ungewöhnlicher Offenheit zelebriert wurde. Oder die Lust des Königs, an roten Verkehrsampeln aus seiner Karosse zu springen, um seinen Untertanen die Hände zu schütteln. Von diesem Stil kann sich das Volk nicht nähren. Armut, Arbeitslosigkeit, Frustration und Flucht in den radikalen Islamismus wachsen explosionsartig.

Mohammed, so urteilen Regimekritiker, regiere das Land zunehmend wie sein Vater: mit harter Hand und als absolutistischer Herrscher, obgleich diskreter. Wenn er überhaupt regiere: Aus dem Hof wird berichtet, dass sich Mohammed lieber dem süßen Leben in seinen 20 Palästen widme. „Die Demokratie kommt nicht nach Marokko“, kritisiert einer, der es wissen muss: Prinz Mulay Hicham, Cousin des Königs und an zweiter Stelle der Thronfolge. Das Land habe nach dem Thronwechsel „eine historische Chance verpasst". In Spanien bekam „M 6“ nach der jüngsten Landnahme nun noch einen weiteren Titel: „König der Petersilie".

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