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Politik: Der Machtwechsel als Rückkehr nach Europa (Kommentar)

Kroatien scheint mit dem Erbe des verstorbenen Vaters der Nation radikaler als erwartet aufräumen zu wollen. Dies ist das Ergebnis der ersten Parlamentswahlen kurz nach dem Ende der Tudjman-Ära.

Kroatien scheint mit dem Erbe des verstorbenen Vaters der Nation radikaler als erwartet aufräumen zu wollen. Dies ist das Ergebnis der ersten Parlamentswahlen kurz nach dem Ende der Tudjman-Ära. Noch vor wenigen Wochen sind zehntausende Kroaten am Sarg von Franjo Tudjman vorbeigezogen. Am Wahltag haben sie sich auch von seiner Regierungspartei HDZ verabschiedet. Selbst das zurechtgeschusterte Wahlrecht, die Propaganda im Staatsfernsehen und der merkwürdige Wahltermin konnten die Niederlage nicht verhindern.

Die Rekordhöhe der Wahlbeteiligung zeigt, dass sich eine große Mehrheit der Bedeutung der Weichenstellung bewusst war. Vor allem die jüngere Generation ist aus der politischen Apathie erwacht. Die Kroaten erleben so etwas wie eine verspätete Wende. Sie wollen raus aus der Isolation. Sie wollen in einem normalen europäischen Staat leben, der sich nicht mit Pomp und Personenkult zum Gespött macht. Unter dem autoritären Tudjman war aus dem Land ein Pariastaat geworden, der immer öfter am Pranger der internationalen Gemeinschaft stand. Europa hat Kroatien die letzten Jahre zu Recht auf Distanz gehalten. Der Umgang mit der serbischen Minderheit, die Zusammenarbeit mit dem Haager Kriegsverbrechertribunal und die Gängelung der Medien sind die wichtigsten Punkte auf der Mängelliste.

Nun hat sich das Land vom autokratischen Tudjman-Modell verabschiedet, nun muss Europa Kroatien schnell die Hand reichen. EU-Kommissar Günter Verheugen hat zwar angedeutet, das Land könnte nach einem Regierungswechsel schon bald in die Reihe der Beitrittskandidaten aufgenommen werden. Doch gefragt sind jetzt nicht nur Erklärungen und schöne Worte, sondern auch Taten und konkrete Hilfsangebote.

Denn die sozialliberale Regierung unter dem Wahlsieger und voraussichtlichen Premier Ivica Racan steht vor einer fast unmöglichen Aufgabe. Die Arbeitslosigkeit liegt bei 20 Prozent, die Staatsschulden sind hoch, die Kassen leer. Die Wahlsieger müssten schnell spürbare Resultate vorweisen können. Und die gibt es nur mit tatkräftiger Unterstützung von außen. Deshalb müssen Brüssel und die internationalen Finanzinstitutionen schnell und unbürokratisch die blockierten Kredite freigeben.

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