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Politik: Der Mann, der vom Wasser kam Hissam Qandil führt Ägyptens Regierung

Kairo - Über Untiefen und Strömungen weiß er alles. Mit den Anrainerstaaten am Oberlauf des Nils hat der Mann komplizierte Gespräche geführt, als es um die künftige Verteilung der kostbaren Ressource ging.

Kairo - Über Untiefen und Strömungen weiß er alles. Mit den Anrainerstaaten am Oberlauf des Nils hat der Mann komplizierte Gespräche geführt, als es um die künftige Verteilung der kostbaren Ressource ging. Und seine eigenen Landsleute ermahnte er bei jeder Gelegenheit, mit dem Wasser des berühmten Stromes sparsam zu sein. An diesem hinge immerhin Wohl und Wehe Ägyptens.

Sparsamkeit predigen wird er den 80 Millionen Ägyptern künftig auch in vielen anderen Bereichen. Denn seit Dienstag ist Hissam Mohammed Qandil neuer Regierungschef des Landes, offiziell ernannt von Mohammed Mursi, dem ersten demokratisch gewählten Präsidenten.

Politisch ist Qandil ein unbeschriebenes Blatt, bezeichnet sich selbst als religiösen Menschen, fühlt sich aber nach eigener Darstellung keiner islamistischen Partei verbunden. Wie sein neuer Chef Mursi trägt der gelernte Wasserexperte einen fein gestutzten Bart, weil er den „Vorschriften des Propheten Mohammed gehorcht“, wie er in einem Interview erläuterte. Seit Juli 2011 saß der 51-Jährige als Minister für Bewässerung und Wasserwirtschaft bei den vom Militärrat berufenen Übergangsregierungen mit am Kabinettstisch, erst unter Regierungschef Essam Scharaf, anschließend auch unter Kamal Ganzouri, den er jetzt ablöst.

Anfang des Monats war der künftige Regierungschef Ägyptens noch bei der Grundsteinlegung einer neuen Staustufe in Assiut dabei, die künftig zusammen mit dem Nasserdamm bei Assuan Strom per Wasserkraft erzeugen soll.

Geboren 1962 studierte er zunächst an der Universität Kairo und ging dann – wie sein Mentor Mohammed Mursi – zur Weiterbildung in die USA. Seinen Master absolvierte Qandil 1988 an der Universität von Utah, seine Promotion folgte 1993 an der Universität von North Carolina. Anschließend wurde er Dozent am „National Water Research Center“ in Kairo und begleitete als Experte verschiedene Bewässerungsprojekte, so in Mosambik, Sudan, Tansania, Sambia und Äthiopien. In der Mubarak-Zeit war der Vater von fünf Kindern Manager bei der Arabischen Entwicklungsbank, bevor er als Direktor der Nil-Abteilung in das Ministerium für Bewässerung und Wasserressourcen wechselte.

Qandil muss nun in den nächsten Wochen sein neues Kabinett zusammenstellen, was endlich wieder Bewegung in die festgefahrene ägyptische Politik bringen soll. Die Wirtschaft stagniert, weil viele wichtige Entscheidungen weiter auf die lange Bank geschoben werden. Außerdem schwelt der Streit um die Auflösung des Parlaments immer noch, nachdem sich sowohl das Oberste Verwaltungsgericht als auch das Oberste Revisionsgericht vergangene Woche für nicht zuständig erklärten. Der Fall geistert nun in den kaum zu durchdringenden Labyrinthen ägyptischer Rechtsfindung herum.

Der Oberste Militärrat wiederum beansprucht nicht nur das Verteidigungsministerium, sondern will auch das Innen- und Außenressort unter seine politische Kontrolle bringen. Der Machtkampf zwischen dem islamistischen Präsidenten Mohammed Mursi und den Generälen geht in die nächste Runde. Martin Gehlen

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