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Politik: Der mit dem Wolf im Schafspelz tanzt - Wer ist ÖVP-Chef Wolfgang Schüssel?

Der 54-jährige Wolfgang Schüssel kann seit gut einer Woche als einer gelten, der mit dem Wolf (im Schafspelz) tanzt. Im Bündnis mit den populistischen "Freiheitlichen" (FPÖ) des österreichischen Rechtsaußen Jörg Haider will der Chef der Volkspartei (ÖVP) den stetigen Niedergang der Konservativen stoppen.

Der 54-jährige Wolfgang Schüssel kann seit gut einer Woche als einer gelten, der mit dem Wolf (im Schafspelz) tanzt. Im Bündnis mit den populistischen "Freiheitlichen" (FPÖ) des österreichischen Rechtsaußen Jörg Haider will der Chef der Volkspartei (ÖVP) den stetigen Niedergang der Konservativen stoppen. In Österreich schlugen dem ÖVP-Vorsitzenden (seit April 1995) bereits zuvor wenig Sympathien entgegen. Der eher schmächtige Brillenträger wird gern als "coole Hundeschnauze", "machtversessener Streber" gezeichnet, der die ersten vier Buchstaben seines bisherigen Titels Vize-Kanzler loswerden will. "Propeller-Mascherl" nannte der stämmige Wiener Bürgermeister Michael Häupl - ein Sozialdemokrat - den Außenminister von der anderen Polit-Fraktion in Anspielung auf Schüssels Gewohnheit, statt Krawatte eine Fliege um den Hals zu tragen. Auf dem Weg an die Kabinettsspitze sei sich Schüssel auch als Steigbügelhalter Haiders nicht zu schade, klingt auch im europäischen Ausland durch.

Dabei ist Schüssels Strategie aus Sicht seiner Partei folgerichtig. Fast 30 Jahre bewegt sich der ehemalige ÖVP-Fraktionssekretär, Wirtschaftsfunktionär und Parlamentsabgeordnete im liberalen Flügel seiner Partei. In diesem gesamten Zeitraum regierten die Sozialdemokraten als stärkste Partei Österreichs. Im Jahr 1986 war der Hobby-Zeichner, Klavierspieler und Freizeit-Eishockeyspieler aus dem bürgerlichen Wiener Stadtteil Hietzing im Verhandlungsteam der ersten SPÖ-ÖVP-Koalition, die mit ihren Neuauflagen dem Juniorpartner ÖVP in 13 Jahren einen stetigen Niedergang bescherte. Nachdem der Wirtschaftsminister der Jahre 1989 bis 1995 die zerstrittene Volkspartei einigermaßen hinter sich brachte, hofft der Vater zweier Kinder nun als Kanzler seiner Partei neues Profil zu geben.

An Selbstbewußtsein fehlt es dem Ehemann einer Psychologin nicht. Dass sich die FPÖ bei einer Beteiligung an der Regierung eines EU-Landes ändern muss, räumt Schüssel ein. Mit einer Präambel zum Koalitionspakt will er die Rechtspopulisten auf den EU-Erweiterungskurs, ein Ja zum Euro und Werte wie Toleranz und Pluralismus festlegen. Der amtierende Außenminister sieht allerdings eine ganze Reihe von Vorurteilen und Unkenntnis in den Hauptstädten der Unionsstaaten. Mit Standfestigkeit will Schüssel ungerechtfertigte Kritik zurückweisen. Er hofft, dass sich binnen 100 Tagen schwarz-blauer "Reform"-Regierung die Aufregung darüber legt, dass die österreichischen Konservativen die äußerste Rechte hoffähig machen - Signalwirkung für Europa nicht ausgeschlossen.

Wie bissig Haider ist, auch wenn er Regierungschef in Kärnten bleibt, hat der FPÖ-Führer mit seinen jüngsten Vorwürfen gegen Frankreichs Staatspräsidenten Jacques Chirac und die belgische Regierung gerade wieder bewiesen. Die neue Masche des Mannes mit der Fliege hat deshalb gefährliche Implikationen. Wer mit dem Wolf tanzt, wird schnell gebissen.

Ulrich Glauber

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