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Wenn die Natur zur Bedrohung wird: Wie hier in einem Lager im libanesischen Bekaa-Tal kämpfen hunderttausende Syrer im Nahen Osten ums Überleben. Foto: Lucie Parsaghian/dpa

© dpa

Politik: Der nächste Albtraum

Die Lage für syrische Flüchtlinge wird immer dramatischer: Der Nahe Osten erlebt die schlimmsten Unwetter seit einem Jahrzehnt.

Das alte Armeezelt steht mitten im Schnee. Auf dem gefrorenen Boden liegt schlafend ein Kind, notdürftig zugedeckt mit einem kleinen Teppich, eine Pudelmütze über den Kopf gezogen. Aufgenommen wurde das Foto in der libanesischen Bekaa-Ebene. Auch hier haben zehntausende Syrer Zuflucht vor den Massakern in ihrer Heimat gesucht, meist Frauen und Kinder. Seit Tagen fegen kalte Winterstürme durch die Region, in vielen Teilen des Libanon traten Flüsse über die Ufer. „Die Flut kam mitten in der Nacht. Plötzlich stand alles unter Wasser und wurde weggeschwemmt. Wir hatten ein paar Matratzen mitgebracht – alles weg“, berichtete ein Betroffener. „Es ist ein Albtraum.“

Schnee, Regen und Fluten: Der Nahe Osten erlebte in dieser Woche die schlimmsten Unwetter seit mehr als einem Jahrzehnt. Betroffen sind nicht nur Syrien, sondern auch Nachbarländer wie Libanon, Jordanien, Irak und die Türkei, wohin sich mittlerweile mehr als eine Million Menschen in Sicherheit gebracht haben. „Die Lage ist unerträglich geworden, nicht einmal Tiere müssen so leben“, klagen die Betroffenen in Gesprächen mit lokalen Journalisten.

Allein im Libanon sind seit Anfang des Jahres 13 000 neue Flüchtlinge hinzugekommen, in Jordanien waren es 10 000 – eine weitere Eskalation in diesem bisher größten Flüchtlingsdrama in der Geschichte des Nahen und Mittleren Ostens. Zusätzlich irren 2,5 Millionen Syrer in ihrer zerstörten Heimat herum und versuchen, in Höhlen und Kellern dem Morden zu entkommen. Hunderttausende hungern. Es fehlt an Mehl, Kochgas und Benzin, vor den Bäckereien bilden sich lange Schlangen. Internationale Nahrungsmittellieferungen des Welternährungsprogramms werden im Hafen von Tartous festgehalten. Der Syrische Rote Halbmond ist vom Ausmaß der Not völlig überwältigt. Viele Helfer fürchten um ihr Leben, höchstens noch die Hälfte aller Notleidenden in den Kampfzonen können mit Essen versorgt werden.

Im jordanischen Flüchtlingslager Zaatari haben Sturm und Dauerregen das gesamte Gelände in ein einziges Schlammloch verwandelt, viele der 4500 Zelte sind unbewohnbar geworden oder zusammengebrochen. Kinder in Plastiksandalen waten durch die eiskalten Pfützen. Rund um die Uhr versuchen Helfer, darunter auch Mitarbeiter des deutschen Technischen Hilfswerkes, das Wasser abzupumpen. Die nächsten 72 Stunden seien entscheidend, erklärte Dominique Hyde, Unicef-Vertreterin in Jordanien. Die vollgesogenen Matratzen sollen ersetzt, Familien mit Kleinstkindern in die wenigen, erst kürzlich aufgestellten Wohncontainer umgesiedelt werden, die sich ein wenig beheizen lassen.

Doch in allen Aufnahmeländern der Region haben die internationalen und nationalen Helfer kaum noch etwas zuzusetzen. „Die Spenden von 2012 sind aufgebraucht“, sagt Dominique Hyde von Unicef. König Abdullah von Saudi-Arabien kündigte nun an, er werde rund 7,5 Millionen Euro zur Verfügung stellen, um den mehr als 60 000 Syrern in dem von Regenmassen überfluteten Zaatari-Lager in Jordanien schnell zu helfen. Bereits kurz vor Weihnachten hatten sich die UN mit einem dramatischen Appell „an alle Regierungen, Firmen und Privatleute“ des Globus gewandt. Die benötigten Mittel bezifferte die Zentrale in New York auf 1,5 Milliarden Dollar, von denen bisher weniger als ein Drittel eingezahlt worden seien. UN-Generalsekretär Ban Ki Moon bat die Weltöffentlichkeit jetzt erneut um Unterstützung: „Wir brauchen jede helfende Hand für diese hilflosen Menschen.“

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