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Stolze Jugend. Bei der offiziellen Zeremonie am Montag in der Hauptstadt Zagreb

© AFP

Der neue EU-Mitgliedsstaat: Jubel über Beitritt Kroatiens mischt sich mit Zweifeln an EU-Reife

Kroatien feiert seine EU-Mitgliedschaft. Punkt Mitternacht wurde die Europaflagge gehisst. Doch in die Freude mischen sich Sorgen und Zweifel, denn viele ungelöste Probleme warten.

Mit einem krachenden Feuerwerk und der europäischen Hymne, mit vielen Hoffnungen, aber auch großen Sorgen haben zehntausende Kroaten in der Nacht zum Montag die Aufnahme des Landes in die Europäische Union als 28. Mitglied gefeiert. Präsident Ivo Josipovic rief seine Landsleute in Zagreb auf, das neue Kapitel trotz Krise mit Optimismus zu starten. Damit der korruptionsbelastete Balkanstaat kein Sorgenkind der EU bleibe, mahnte Berlin zu weiteren Reformen.
Punkt Mitternacht erklang auf dem zentralen Platz in Zagreb die EU-Hymne, Beethovens „Ode an die Freude“, während ein gigantisches Feuerwerk den nächtlichen Himmel erhellte. „Willkommen in der Europäischen Union“, rief Kommissionschef José Manuel Barroso den 20.000 Menschen zu. Vermisst wurde in Kroatien Kanzlerin Angela Merkel (CDU). Sie hatte ihre Teilnahme erst kurz zuvor aus Termingründen abgesagt. Die kroatischen Medien und die Opposition werteten dies als „diplomatische Ohrfeige“.
Kroatien ist nach Slowenien die zweite ehemalige jugoslawische Teilrepublik, die es in die EU geschafft hat. Doch in die Euphorie der Menschen mischte sich auch Angst, die Auflagen der Brüsseler Bürokratie könnten das Land nach den mühsamen zehnjährigen Beitrittsverhandlungen zu weiteren Opfern zwingen. Die Neuverschuldung liegt mit 4,7 Prozent deutlich über den zulässigen drei Prozent, auch die zu hohe Gesamtverschuldung könnte zu
Sanktionen führen. Die Erwartung, das Leben werde durch den Beitritt automatisch besser werden, sei „absurd“, kommentierte die Zeitung „Jutarnji List“.
EU-Ratspräsident Herman Van Rompuy machte den Kroaten dagegen Mut. Das Land habe eine wichtige Etappe gemeistert, das werde „das Leben zum Guten verändern“, sagte er in Zagreb. Kroatien mit seinen 4,2 Millionen
Einwohnern ist nach Bulgarien und Rumänien - die 2007 aufgenommen wurden - das drittärmste EU-Land. Das Bruttoinlandsprodukt liegt laut EU-Statistik um 39 Prozent unter dem europäischen Durchschnitt. Seit vier Jahren befindet sich das Land in der Rezession, 21 Prozent der Bevölkerung sind arbeitslos.
Außenstaatsminister Michael Link (FDP), der für Merkel zur Feier angereist war, wies Bedenken gegen den kroatischen EU-Beitritt zurück. Das Land habe „einen härteren und schwierigeren Weg an Bedingungen machen müssen als jedes andere neue Mitglied bisher“, sagte er im Deutschlandradio. Zudem seien Schutzklauseln vereinbart, die ein „Nachfassen“ ermöglichten, falls es zu Mängeln im Binnenmarkt oder bei der Rechts- und
Justizzusammenarbeit komme. Der Beitritt sei ein Anreiz „für neue, für weitere Reformschritte“.

Das neue Selbstbewusstsein als EU-Mitglied wurde in Kroatien auch durch neue Schilder symbolisiert. An einem Grenzübergang zu Slowenien wurde ein „Zoll"-Zeichen entfernt, an einem Grenzübergang zu Serbien wurde ein „EU"-Schild aufgestellt. Staatsminister Link betonte indes, dass Kroatien mit dem EU-Beitritt noch lange nicht in den schlagbaumfreien Schengenraum aufgenommen worden sei und auch noch kein Mitglied in der Eurozone ist. „Beides erfordert weitere Reformen“, sagte er in dem Radiointerview.

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