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Politik: Der neue Oberbefehlshaber Joseph Ralston stärkt die Position der USA in der Allianz

Die Entscheidung Washingtons, Nato-Oberbefehlshaber Wesley Clark durch Luftwaffengeneral Joseph Ralston zu ersetzen, spiegelt zunächst einmal die US-Verteidigungspolitik wider. Gleichzeitig aber lässt sich daran auch das politische Ungleichgewicht innerhalb der Allianz ablesen.

Die Entscheidung Washingtons, Nato-Oberbefehlshaber Wesley Clark durch Luftwaffengeneral Joseph Ralston zu ersetzen, spiegelt zunächst einmal die US-Verteidigungspolitik wider. Gleichzeitig aber lässt sich daran auch das politische Ungleichgewicht innerhalb der Allianz ablesen. Obwohl im Pentagon selten alle einer Meinung sind, besteht bei der Person Ralston ein breiter Konsens: Er gilt erstens als einer der besten Offiziere der amerikanischen Armee. Dass er 1997 nicht Oberbefehlshaber der Armee wurde, ist, zweitens, nur einer schändlichen Mischung aus Political Correctness und Feigheit des Weißen Hauses sowie des Kongresses zuzuschreiben. Und drittens wäre es fast ein Vergehen, seine Fähigkeiten und Verdienste nicht zu nutzen.

Drei wichtige Pentagon-Institutionen unterstützen Ralston - aus unterschiedlichen Gründen. Der Vorsitzende des Generalstabs, Henry Shelton, will Ralston (zur Zeit stellvertretender Vorsitzender) Gerechtigkeit widerfahren lassen. Die Luftwaffe hält es für überfällig, dass aus ihren Reihen das höchste militärische Amt in Washington oder Brüssel besetzt wird. Und die Armee, die die Bewunderung für Ralston teilt, will die Gelegenheit nutzen, Clark zu pensionieren.

Es ist in Washington kein Geheimnis, dass Clark umstritten ist und es gegen seine Entsendung zur Nato starke Vorbehalte auf höherer Ebene im Pentagon gab. Clark ist für die Tradition des US-Militärs zu "politisch". Er ist vom gleichen Schlag wie Alexander Haig, der seinen raschen Aufstieg guten Beziehungen zum Weißen Haus verdankt hatte. Die US-Armee hält an der traditionellen Gesinnung fest, sich nicht in die Politik einzumischen.

Hinzu kommt, dass Clark im Kosovo-Konflikt für Unruhe gesorgt hat. Ihm sei es weniger um die Rettung der Kosovo-Albaner als um die Bestrafung von Serbien und Milosevic gegangen, fand manch einer in Washington, darunter Kongressmitglieder. Dass der Luftangriff nicht rasch den gewünschten politischen Erfolg brachte, wurde dem Kommandeur angelastet, obwohl Clark selbst für eine andere Strategie bei den Luftangriffen plädiert hatte. Zudem erschwerten Clarks öffentliche Erklärungen die Bemühungen der Regierung um eine diplomatische Lösung, heisst es in Washingtoner Regierungskreisen. Keine Frage, dass im Kosovo-Konflikt manches zu kritisieren ist, doch wird eher ein Truppenchef als ein Politiker einen politischen Preis zahlen müssen. Und so hat die Regierung Wesley Clark geopfert.

Für die Nato ist der Nachfolger Ralston insofern eine gute Nachricht, als er die beste Wahl für den Posten des Oberbefehlshabers ist. Die schlechte Nachricht für die Allianz allerdings ist, dass die Europäer und die USA bislang noch keine erstklassige Wahl eines Nato-Generalsekretärs, also des zivilen Gegenparts, getroffen haben.

Optimisten hoffen daher, dass die EU mit Solana zum Zentrum der europäischen Sicherheitspolitik wird. Dagegen gehen Realisten davon aus, dass die EU-Staaten ihm weder die notwendige Macht noch die Ressourcen und die Unterstützung für die Bildung einer gemeinsamen Europäischen Sicherheits- und Verteidigungsidentität geben werden. Gleichzeitig wird sein Nachfolger bei der Nato um seine eigene Aufwertung kämpfen. Folglich werden die Entscheidungen über die Sicherheitspolitik nicht in Brüssel, sondern in Washington getroffen werden.

Die Klagen, die USA verhielten sich gegenüber Europa wie einst das kaiserliche Rom vis-à-vis der unterworfenen Staaten, nehmen zu. Die Lösung des Dilemmas liegt allerdings in den Händen der Europäer selbst: Europa muss die Verantwortung und die Kosten für seine eigene Sicherheit schon selbst übernehmen. Zum Beispiel einen Generalsekretär finden, der eine ähnlich herausgehobene Statur besitzt wie Joseph Ralston.

Der Autor arbeitete früher im US-Außenministerium und im Pentagon. Er ist jetzt Direktor des Programms für ost-europäische Staaten beim Atlantic Council der USA.Übersetzt von Karen Wientgen

Wayne Merry

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