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Politik: Der Nicht-Gipfel

Wie die Teilnehmer des Brüsseler Vierertreffens die Nato stärken wollen – aber auch die Europäische Union

Es war ein Gipfel, der eigentlich keiner sein sollte – jedenfalls keiner, der sich gegen die USA oder die Nato richtet. Gleichwohl haben der französische Staatspräsident Jacques Chirac, Bundeskanzler Gerhard Schröder, der belgische Ministerpräsident Guy Verhofstadt und Luxemburgs Premier Jean-Claude Juncker am Dienstag bei ihrem Treffen in Brüssel die Initiative ergriffen, um der europäischen Sicherheits- und Verteidigungspolitik neuen Schwung zu geben. Sie schlagen dem gegenwärtig tagenden Konvent vor, in den EU-Verfassungsvertrag das Konzept einer Europäischen Sicherheits- und Verteidigungsunion aufzunehmen.

,,Unsere Initiative geht keineswegs gegen die Nato,“ betonte Belgiens Premierminister Guy Verhofstadt am Dienstag. Verhofstadt war heftig kritisiert worden, weil er das Treffen ausgerechnet jener vier Regierungschefs angeregt hatte, die sich am deutlichsten gegen den Irak-Krieg ausgesprochen hatten. Die Opposition in Berlin sprach deshalb von einem ,,Spaltungsgipfel“, der nach den Meinungsgegensätzen während des Irak-Konflikts ,,Salz in die Wunden“ streue, anstatt die Risse in der Nato und im transatlantischen Verhältnis zu kitten.

Dem widersprachen die vier Regierungschefs am Dienstag nachdrücklich: ,,Unsere Anstrengungen sind komplementär, stehen nicht in Konkurrenz zur Nato, sondern ergänzen deren Bemühungen“, erklärte Frankreichs Staatspräsident Chirac. Auch Bundeskanzler Schröder wehrte sich gegen die Kritik: ,,Wir haben in der Nato nicht zu viel USA, sondern zu wenig Europa. Das wollen wir jetzt ändern,“ sagte Bundeskanzler Schröder. Alle Vier unterstrichen, dass ihre Initiative offen für alle EU-Staaten sei. ,,Wir wollen aus Europa keinen militärischen Muskelprotz machen. Aber wir wollen eine europäische Sicherheits- und Verteidigungspolitik im Dienst der Außenpolitik, sagte der luxemburgische Ministerpräsident Juncker. Ein glaubwürdige Sicherheitspolitik sei geradezu die Voraussetzung für eine glaubwürdige Außenpolitik. Man wolle keineswegs eine Verdoppelung der sicherheitspolitischen Strukturen neben der Nato, versicherten die vier Regierungschefs. Man werde die mehrfach vorhandenen Strukturen in den einzelnen Mitgliedsländern abbauen, die Anstrengungen europäisch bündeln und die vorhandenen Mittel effektiver verwenden.

Die vier Staats- und Regierungschefs schlugen bei ihrem Mini-Gipfeltreffen in Brüssel nicht nur vor, die Möglichkeit zur verstärkten Zusammenarbeit in der Sicherheits- und Verteidigungspolitik in die künftige EU-Verfassung aufzunehmen, sondern kündigten auch konkrete Schritte an: Eine ,,Europäische Agentur für Entwicklung und Beschaffung“ soll die Rüstungspolitik in der EU abstimmen und dazu beitragen, dass die knappen Mittel besser verwendet werden. Als erster Schritt zu einem künftigen gemeinsamen Kommando für den strategischen Transport zu Land, Luft und See wollen sie möglichst zügig ein europäisches strategisches Lufttransportkommando einrichten, das die Transportkapazität des Militärairbus A 400 M effektiv verwalten könnte. Außerdem soll die Fähigkeit zur Krisenreaktion durch die Bereitstellung der deutsch-französischen Brigade als Kern der schnellen Eingreiftruppe der EU verbessert werden.

US-Kommandeur für kleinere Nato

Washington (AFP). Der Kommandeur der US-Streitkräfte in Europa, Jim Jones, hat eine radikale Verkleinerung der Nato-Truppen gefordert. Die Nato benötige keine „2,3 Millionen Menschen in Uniform“, sagte Jones am Montag bei einem Besuch in Washington. Es gebe in dieser Hinsicht ein „klares“ Sparpotenzial. Eine Reduzierung der Truppen könne die Nato vor allem bei Einsätzen außerhalb Europas effizienter machen. Zu den geplanten Reformen in der US-Armee sagte Jones, das US-Verteidigungsministerium erwäge die Einrichtung von Strategie-Zentren Stützpunkten in der ganzen Welt, um so rasche Einsätze zu ermöglichen.

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