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Politik: Der Osten sieht rot

SPD-Politiker aus den neuen Ländern kämpfen um mehr Einfluss

Von Markus Feldenkirchen

und Antje Sirleschtov

In seinen Wahlreden hat Gerhard Schröder von der Solidarität zwischen Ost und West gesprochen, für die sich die SPD weiter einsetzen werde. Jetzt – nach der Wahl – ist vor seinen Augen ein Ost-West-Konflikt in seiner eigenen Partei entstanden.

Während Manfred Stolpe, Schröders Ost- Beauftragter für den Wahlkampf, an der Seite von Parteivize Wolfgang Thierse für eine größere Repräsentanz der Ost-SPD in der Regierung kämpft, verteidigt NRW-Ministerpräsident Wolfgang Clement die westdeutschen Interessen. Clement hat sich sogar im Nachhinein noch in das SPD-Team für die Koalitionsverhandlungen gedrängt, um an entscheidender Stelle mitreden zu können. Er fürchtet beispielsweise um die Hilfen für den Steinkohlebergbau im Ruhrgebiet.

Pünktlich zum Beginn der Koalitionsverhandlungen ringt Clement mit Stolpe um Einfluss und Geld. Ihr Schlachtfeld ist die Infrastruktur. Stolpe fordert ein Schlüsselressort für einen ostdeutschen Politiker und hat dabei das künftig unter dem n „Infrastrukturministerium“ firmierende Bau- und Verkehrsressort im Blick. Dazu müsste aber der Nordrhein-Westfale Kurt Bodewig vom Ministersessel verdrängt werden. Clement will da nicht mitmachen. Er sieht Verkehrsprojekte wie den Metrorapid gefährdet, sollte tatsächlich ein Ostdeutscher solche Entscheidungen fällen.

Eigentlich ist die Ausgangslage der Ost- SPD’ler so günstig wie nie zuvor. Sie haben dem Kanzler den Verbleib an der Macht gesichert. Während die SPD bundesweit rund zwei Prozent abgeben musste, bescherten ihr die neuen Bundesländer satte Zuwächse von bis zu sechs Prozent. Nun wächst der Unmut bei den Ostdeutschen. Denn bislang hat der Kanzler lediglich Rolf Schwanitz als Staatsminister im Kanzleramt für den Aufbau Ost bestätigt. Das reiche nicht aus, sagen Stolpe und andere Vertreter der Ost-SPD.

Stolpe will mit seinen Forderungen den Boden für den Leipziger Oberbürgermeister Wolfgang Tiefensee bereiten. Der soll der SPD bei den Landtagswahlen in Sachsen erstmals zur Macht verhelfen. Im sächsischen Wahlkampf hätte Tiefensee aus dem Amt des Bundesministers heraus eine bessere Startposition, glauben einige Strategen der Ost-SPD.

Doch es gibt auch die anderen. Die Warnenden. Die verweisen darauf, dass Finanzminister Hans Eichel spätestens in vier Wochen jedes Ressort in Berlin bis aufs Blut ausquetschen muss – auch ein Infrastrukturministerium. Dessen Minister wird dann nicht umhin kommen, mit bitteren Wahrheiten durchs Land zu ziehen. Und mit Schienenstrecken, die nicht gebaut werden, Ortsumgehungen, die verschoben werden, könne man keinen Ostdeutschen von Wolfgang Tiefensee überzeugen. Genauso wie Matthias Platzeck, Stolpes Nachfolger in Potsdam, sei der OB in Leipzig nicht nur deshalb an seinem jetzigen Wirkungsort nützlicher für die SPD im Osten. Die beiden sollen auch politisch noch ein bisschen „reifen“ können.

Dennoch brauchen die Ost-Sozialdemokraten und ihre Wähler etwas, das „die Seele streichelt“, meint Carsten Schneider, Mitglied der Ostgruppe in der Fraktion. Einige seiner Fraktionskollegen – und nicht nur sie – verweisen deshalb auf Christoph Matschie, den Landesvorsitzenden aus Thüringen. Matschie hat in dem Bundesland einen bis dato kaum erwarteten Wahlerfolg errungen und den Sozialdemokraten Mut auf eine Ablösung der CDU-Landesregierung gemacht. Und die Fraktionsspitze könnte der richtige Ort zur Profilierung dafür sein.

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