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Politik: Der Präsident ist nicht so wichtig

Putin spielt die gelenkte Wahl Kadyrows in Tschetschenien herunter – und der verlangt von Moskau nur wirtschaftliche Vorteile

Die Ergebnisse der Präsidentenwahl in Tschetschenien sind nahezu identisch mit den Prognosen der Wahlforscher: Die Wahlbeteiligung lag bei 87,5 Prozent, Moskaus Hoffnungsträger, der amtierende Verwaltungschef Ahmad Kadyrow, fuhr nach dem bisherigen Ergebnis über 80 Prozent ein. Der russische Präsident Wladimir Putin sagte in einem Interview für die „Washington-Post", aus dem der private TV-Sender NTW zitierte, keiner der Kandidaten habe sich für die Trennung von Russland ausgesprochen. Das sei der größte Erfolg des Urnengangs, der ohnehin weniger bedeutsam sei als die überwältigende Zustimmung für die neue Verfassung der Republik beim Referendum Ende März.

Eine Lobeshymne kam von Achmar Sawgajew, Bruder von Doku Sawgajew, des 1995 vom damaligen Präsidenten Boris Jelzin eingesetzten Statthalters, der nach acht Monaten vom Thron gefegt wurde. Kadyrow, wegen Korruptionsaffären und seiner Todesschwadron sogar bei russischen Medien in die Schlagzeilen gekommen, sei der Einzige, der momentan fähig sei, mit derartigen Phänomenen aufzuräumen, sagte Sawgajew. Mit Kadyrow, der „hochanständig und moralisch untadelig" sei, sei ein Präsident gewählt worden, der Garant für die „Wiedergeburt Tschetscheniens" sei, weil bei ihm „Wort und Tat übereinstimmen“. Sawgajew vertritt Tschetschenien im russischen Senat.

Mit Kadyrows Wahl , so der für Nationalitätenpolitik zuständige Minister, Wladimir Sorin, sei Tschetschenien in den „Rechtsraum der Russischen Föderation zurückgekehrt“. Aufgaben seien nun die Wahl eines Parlaments und der Abschluss eines Vertrages über Kompetenzteilung mit Moskau.

Auf politische Sonderrechte wie weitgehende innere Autonomie verzichtete Kadyrow indes bereits freiwillig in seiner ersten Erklärung nach Bekanntwerden des vorläufigen Ergebnisses: Wirtschaftsprivilegien würden vollauf genügen. „Mehr Demokratie“, schreibt dennoch die regierungsnahe „Iswestija“, sei „momentan nirgendwo auf der Welt möglich“. Die neue Macht in der Republik sei zwar unvollkommen, aber legitim, weil nicht mehr ernannt, sondern gewählt. Mit den Wahlen hätten zudem der Westen und russische Menschenrechtler das Recht verloren, auf Verhandlungen für eine politische Lösung in Tschetschenien zu pochen. Bei dem Urnengang sei jeder einzelne Bürger befragt worden. Zwar „unter Gewehrläufen“, die, wie dem Leitartikler schwant, noch lange gebraucht würden. Aber an die hätte man sich „ohnehin längst gewöhnt“. Kritische Blätter widmen mehrere Seiten der Schilderung der Mauscheleien, Einschüchterungsversuche und Benachteilungen der chancenlosen Herausforderer Kadyrows.

Der Leiter der deutschen Delegation im Europarat, Rudolf Bindig, hat die Präsidentenwahl in der russischen Teilrepublik Tschetschenien als unfair und vom Kreml gesteuert kritisiert. Es handele sich „eindeutig um keine freie und faire Wahl“, sagte der SPD-Politiker im Deutschlandradio. Der Europarat hatte keine Wahlbeobachter in die kaukasische Unruheregion geschickt. (mit dpa)

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