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Politik: Der Provokationsminister tritt zurück

Italienischer Politiker hatte mit T-Shirt, das er bei einem TV-Auftritt trug, Gewalt in Libyen ausgelöst

Wut und Zorn in Libyen, helle Empörung sowie Terrorangst in Italien – und elf Tote an einem einzigen Abend. Das ist die erste Bilanz der gewaltsamen Proteste gegen die Mohammed-Karikaturen in der libyschen Hafenstadt Bengasi.

Am Freitagabend randalierten dort mehrere tausend junger Demonstranten vor dem italienischen Konsulat. Sie schleuderten Steine und Molotowcocktails und zündeten Autos an. Dann schoss die libysche Polizei in die Menge. Mindestens elf Libyer starben, die Mitarbeiter des Konsulats blieben unverletzt. Wegen der tödlichen Schüsse wurde der libysche Innenminister Nasr al Mabruk suspendiert.

Als Auslöser der Proteste gilt der italienische Minister für Reformen, Roberto Calderoli. Er hatte in den vergangenen Tagen öffentlich ein T-Shirt mit umstrittenen Mohammed-Karikaturen getragen. Er wolle „provozieren“, sagte Calderoli, der zur rechtsextremen Lega Nord gehört und schon einen „Kreuzzug“ gegen den militanten Islam gefordert hat: „Diese Leute besiegt man nur mit Gewalt.“ Am Samstag folgte Calderoli der Aufforderung von Regierungschef Silvio Berlusconi und trat zurück.

Schon vergangene Woche hatte sich die italienische Regierung verärgert über Calderoli gezeigt. Außenminister Gianfranco Fini warnte, ein einziger Funke könne zum Nachteil Italiens ein ganzes Pulverfass entzünden. Die Geheimdienste, die das Land während der Olympischen Spiele und dem Wahlkampf ohnehin einem höheren Terrorrisiko ausgesetzt sehen, äußerten die Furcht vor Anschlägen.

Noch in der Nacht zum Samstag hatte Calderoli erklärt, Rücktrittsforderungen kümmerten ihn relativ wenig, er verteidige lediglich die westliche Zivilisation. Schließlich sei sie es, die seit dem Anschlägen von New York Gewalt erdulde und sich nicht wehre. Terroristen, betonte Calderoli im Hinblick auf Bengasi, seien jene, „die die heiligen diplomatischen Stätten verletzen“.

Doch schließlich wurde der Druck zu stark. Die italienische Regierung hält Calderolis Verhalten für „unvereinbar mit seinen Amtspflichten“. Politiker sämtlicher Parteien mit Ausnahme der Lega Nord gingen auf Abstand, manche bezeichneten ihn offen als „moralisch verantwortlich“ für die Toten von Bengasi. Oppositionsführer Romano Prodi sagte, der Rücktritt sei „noch das Mindeste“. Grünen-Chef Alfonso Pecoraro Scanio forderte die Demission der gesamten Regierung, die sich „nach Art des Pilatus“ die Hände in Unschuld wasche. Außenminister Fini kündigte einen unverzüglichen Besuch in der römischen Moschee an, um „den Respekt vor jeder Religion zu unterstreichen“.

Die ohnehin heiklen Beziehungen Italiens zu Libyen haben durch Calderolis Provokation einen neuen schweren Schlag erlitten. Die Libyer lasten ihren früheren Kolonialherren (1911 bis 1943) schwere Verbrechen gegen die Menschlichkeit an. Mindestens 40 000 Libyer, darunter Verwandte von Staatschef Ghaddafi, sind in italienischen Lagern umgekommen. 1970 enteignete und vertrieb Muammar Ghaddafi innerhalb weniger Stunden alle 44 000 Italiener, die noch in seinem Land wohnten.

Näher waren sich die beiden Staaten zuletzt nur bei einem Problem gekommen: Libyen gilt als eine Sammel- und Schleuserstation für Flüchtlinge, die übers Mittelmeer nach Europa streben. „Zwei Millionen arme Teufel“, so Italiens Innenminister Giuseppe Pisanu, hausten dort unter erbärmlichen Bedingungen und warteten auf die Überfahrt. In einem Geheimabkommen soll Libyen die Zusammenarbeit seiner Polizei mit Italien zugesichert und versprochen haben, die illegalen Emigrantenströme zu stoppen. Da aber die Zahl der auf italienischen Inseln gelandeten Bootsflüchtlinge zuletzt wieder deutlich gestiegen ist, bestehen starke Zweifel an der Wirksamkeit der Kooperation.

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