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Politik: Der Rentenkompromiss kann ein Sprung nach vorn werden (Kommentar)

Der Rentengipfel am kommenden Dienstag beim Bundeskanzler könnte so etwas wie ein Schicksalstag für die Republik werden. Warum?

Der Rentengipfel am kommenden Dienstag beim Bundeskanzler könnte so etwas wie ein Schicksalstag für die Republik werden. Warum? Eine grundlegende Reform der Alterssicherung in Deutschland ist seit Jahren überfällig. Jeder, der wollte, sah die Sackgasse: Die immer ungünstigere Relation zwischen den aktiven Erwerbstätigen, die für die Renten einzahlen, und den Alten, die Renten beziehen. Immer wieder haben der Verband der Rentenversicherer und auch das Tandem Biedenkopf und Miegel auf die Konsequenzen für künftige Beitragssätze hingewiesen. Lange Zeit umsonst. Die unheilige Allianz der Sozialromantiker in den Parteien hat das bestehende System zäh verteidigt. Der bekannteste "Rentenlügner" war Norbert Blüm. Die Rente ist schon seit Jahren nicht mehr sicher.

Das hat die Mehrheit in allen Parteien jetzt endlich begriffen. Aber es war nicht nur Wahl-Taktik, dass die SPD die kleinen Schritte der Regierung Kohl in Richtung einer Rentenreform wieder rückgängig machen wollte. In vielen sozialdemokratischen Köpfen war das Modell des sozial gerechten Generationenvertrags noch fest verankert. Die drohenden Finanzierungslücken wollten sie mit mehr Steuergeldern stopfen. Aber das Umlageverfahren stößt in jeder Gesellschaft, in der Zahl und Ansprüche der Alten wachsen, an ihre Grenzen. Den Jungen wird eine immer schwerere Last aufgebürdet.

Nun liegt ein Reformkonzept auf dem Tisch, das freudig überrascht. Es überrascht, weil Walter Riester für diese Schlüssel-Reform ein ungeeigneter Mann war. Als alter Gewerkschafter ist er groß geworden in der Tradition des Umverteilens. Als gewiefter Tarifverhandler ist er das Denken in möglichst komplizierten Konstruktionen gewohnt, bei denen Transparenz und klare, einfache Regeln eher ein Nachteil sind. Kein Wunder, dass er sich an das Kapitaldeckungsverfahren und an eine private - und dazu noch freiwillige - Vorsorge für das Alter kaum heranwagte. Gerhard Schröder musste ihm immer wieder kräftig ins Lenkrad greifen.

So sehr die Generallinie jetzt stimmt, es muss auch dieses Konzept bald "nachgebessert" werden. Zukunftsfähig ist der Umbau der Altersvorsorge in das 3-Säulen-Konzept. Keine Frage, auch die Beamten gehören in das neue Vorsorgemodell. Überfällig und richtig ist der schrittweise Rückschnitt der ersten Säule, der umlagefinanzierten Sozialversicherung, in Richtung einer Grundsicherung. Schon die demographische Entwicklung zwingt dazu. Aber der mutige Schritt zu einer wirklichen solidarischen Grundsicherung für alle, bei der jeder einzahlt und zwar für jede Art von Erwerbseinkommen ohne Limit nach oben (Schweizer Modell) ist noch nicht getan. Der Vorteil wäre: Die Beitragssätze könnten deutlich niedriger sein, und durch die Begrenzung der Rentenansprüche nach oben würde der Umfang der Umverteilung transparent. Das ist bei den steuerfinanzierten Lochstopfübungen hier zu Lande immer weniger der Fall.

Wichtig und richtig ist die immer stärkere Betonung der privaten Vorsorge, der dritten Säule. Aber warum nicht eine klare Förderung durch sinnvolle steuerbefreite Beiträge für jeden? Den angeblich 30 Milliarden Mark, die zunächst weniger in die Steuersäckel fließen würden, wenn der Fiskus erst später auf die Erträge zugreift, sind ein Teil der "Umbaukosten", die sowieso anfallen. Ihnen stehen in wenigen Jahren geringere Subventionen an die Rentenkassen gegenüber. Wenig sinnvoll ist es, ein breites kompliziertes zusätzliches Förderungssystem zu installieren, um einkommensschwachen und kinderreichen Haushalten die Einlagen in die dritte Säule zu finanzieren.

Die Fähigkeit zum eigenverantwortlichen Sparen wird vermutlich unterschätzt. Vor allem ist es wenig lebensnah, wenn man das Alterssparen gleichmäßig über die Lebenszeit verteilen möchte. Wenn Kinder aus dem Haus sind, kann die individuelle Sparquote kräftig steigen. Und hier macht auch das Junktim mit der anstehenden Steuerreform Sinn. Die weitere steuerliche Entlastung der unteren Einkommensgruppen würde es auch Geringverdienern erleichtern, für sich selber vorzusorgen. Klar, es bleiben immer noch Menschen, denen die Solidargemeinschaft im Alter unter die Arme greifen muss. Aber zunächst sollte man mehr darauf setzen, durch Wirtschaftswachstum die Erwerbsmöglichkeiten zu erweitern und die Menschen eigenverantwortlich für sich sorgen zu lassen. Das sollten doch auch die Christdemokraten und Edmund Stoiber unterschreiben können.

Heik Afheldt

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