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Politik: Der Rückkehrer

Müntefering will nochmal zeigen, wie politische Führung funktioniert

Berlin - Es ist die Geschichte einer einzigartigen Rückkehr, die am Mittwoch, zwölf Uhr mittags, vor der blauen Wand der Bundespressekonferenz, auf ihren Höhepunkt zusteuert. Vor knapp elf Monaten saß Franz Müntefering vor dieser Wand, um der Politik Adieu zu sagen. Es war ein grauer Nachmittag im November und Müntefering war gekommen, um seinen Rücktritt vom Amt des Arbeitsministers und Vizekanzlers zu verkünden. Er hatte Wichtigeres zu tun, er musste seiner krebskranken Frau Ankepetra beistehen. Wie schnell und unter welchen Umständen er wieder auf dem Podium der Bundespressekonferenz Platz nehmen würde, konnte er damals nicht ahnen.

Vor der blauen Wand sitzt Müntefering an diesem Mittwoch als Buchautor und designierter (Wieder-)Vorsitzender der SPD. Das Buch ist eine Sammlung von Gesprächen, die er von Frühjahr an mit der Tagesspiegel-Chefkorrespondentin Tissy Bruns geführt hat. Den Parteivorsitz hat ihm Anfang September, fünf Wochen nach dem Tod seiner Frau und zwei Stunden nach dem wütenden Rücktritt von Kurt Beck, der Außenminister und Kanzlerkandidat Frank-Walter Steinmeier angetragen. Am Samstag kommender Woche soll Müntefering auf einem SPD-Sonderparteitag in Berlin gekürt werden. Und kein Delegierter wird danach sagen können, er habe nicht gewusst, wen er da zum zweiten Mal an die Spitze gewählt hat.

„Macht Politik!“, lautet der Titel von Münteferings Buch, um das es bei seinem 70-minütigen Auftritt am Mittwoch vor allem geht, obwohl die Bundespressekonferenz für gewöhnlich für Buchvorstellung nicht zur Verfügung steht. In dem Buch, das an diesem Tag also nicht vorgestellt wird, das aber viele im Saal kennen, legt der 68-Jährige sein Politikverständnis noch einmal auf unmissverständliche Weise dar. Für Müntefering ist politische Führung unvereinbar mit Klientelpolitik und Parteiegoismen. Sie steht vielmehr in der Pflicht, für „die richtige Sache“ zu streiten und sie populär zu machen, notfalls gegen alle Widerstände, auch in den eigenen Reihen. „Politik muss sammeln und führen“, schreibt der Vizekanzler a.D. Dass Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) seinen Ansprüchen nicht gerecht geworden ist – daraus macht Müntefering auch am Mittwoch kein Hehl. Im Buch heißt es dazu, die CSU habe Merkel „immer wieder zurückgeschnitten“ auf die Rolle der CDU-Vorsitzenden und Merkel habe dies hingenommen – ein Vorwurf den Müntefering nahezu wortgleich auch vor der Bundespressekonferenz erhebt.

Ohnehin hält der künftige SPD-Chef den Einfluss der Parteien auf das konkrete Regierungshandeln für zu groß. Deutschland sei keine Parteiendemokratie, die Bundesregierung nicht das Zentralkomitee der Parteien, und die Abgeordneten nicht deren Entsandte, mahnt der Mann vor der blauen Wand.

An die SPD appelliert Müntefering, um „die Meinungsführerschaft“ in zentralen Fragen zu kämpfen. In seinem Buch nennt er neben der Sicherung des Wohlstands und der Bekämpfung der Arbeitslosigkeit unter anderem die Themen Bildung und bezahlbare Energie sowie die Schaffung einer sozialen Ordnung in Europa. Die SPD soll entlang dieser Themen einen Gesellschaftsentwurf erarbeiten, „Orientierung geben, was in den nächsten Jahren und Jahrzehnten getan werden muss“. Überhaupt wünscht sich Müntefering dringend eine weniger verzagte und weniger auf sich selbst fixierte SPD. Kämpferischer und selbstbewusster soll die Sozialdemokratie werden. Die mangelnde Akzeptanz der Agenda 2010 führt er letztlich auf einen Mangel an Kampfesmut und Solidarität zurück. „Zu viele waren in den Büschen, statt für die Sache zu kämpfen. Das ist ja auch heute noch so“, klagt er. Sich selbst beschreibt Müntefering als „Zentristen“, weder dem rechten noch dem linken Parteiflügel zugehörig: „Die kreisunabhängigen Solitäre haben auch ihren Charme.“

Am Ende des Buches verspricht er seiner SPD, man werde auch in Zukunft „Freude aneinander haben“. Am Ende seines Auftritts vor den Journalisten wird er deutlicher. Franz Müntefering will noch lange Politik machen. Er sagt, er werde 2009 wieder als SPD-Chef kandidieren.

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