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Politik: Der Saarbrücker hat einen schlechten Stil - aber warum fällt es einigen erst jetzt auf? (Kommentar)

Wie gut, dass es Oskar Lafontaine gibt. Wenn es ihn nicht gäbe, er müsste erfunden werden.

Wie gut, dass es Oskar Lafontaine gibt. Wenn es ihn nicht gäbe, er müsste erfunden werden. Denn einen braucht die Politik doch, von dem sie sich im Brustton der Überzeugung distanzieren kann. Natürlich wäre es besser gewesen, für Lafontaine, für die SPD und das Ansehen der Politik, wenn er jetzt geschwiegen hätte. Den Vertrauensbruch, den er beklagt, hat er selbst begangen. Nun können alle sagen, frei nach Karl Kraus, dass Politik genau so ist, wie sich Fritzchen Politik vorstellt.

Aber deshalb wird nicht jede Kritik falsch, die er geäußert hat, und schon gar nicht jeder Inhalt. Die SPD täte besser daran, auf ihren früheren Bundesgeschäftsführer Peter Glotz zu hören und sich nicht an der Form abzuarbeiten. Wie sich "führende" Sozialdemokraten derzeit aufführen, wenn nur der Name Lafontaine genannt wird - sie entlasten sich auf seine Kosten. Je härter sie ihn angreifen, desto besser, nach dem Motto: Wer schon draußen ist, dem kann ich auch noch Freches hinterher rufen. Welch ein Mut! Wo sind sie geblieben, die Linken und die vielen anderen, die ihm in Mannheim 1995 zugejubelt haben? Wo sind die Genossen, die sich für seinen Politikentwurf begeistert und dafür Rudolf Scharping gestürzt haben? Wo ist eigentlich Reinhard Klimmt, der Freund, der Verkehrsminister? Wo sind die Journalisten, die zu ihm aufgeschaut, die seine strategische Intelligenz beschrieben haben? Jetzt haben sie wieder einen anderen zum Aufschauen, wieder mit einem anderen Entwurf - und jetzt war Lafontaines Entwurf sowieso schon immer falsch. Oder?

Das Problem ist weniger, dass Lafontaine ein Unberührbarer wäre - sondern dass er trotzdem Recht haben könnte. Nehmen wir seine Beschreibung dessen, was den Grünen Joschka Fischer und ihn betrifft, dieses Geraune von Alpha-Tier zu Alpha-Tier: Es stimmt. Was, wenn auch seine Beschreibung Schröders zutrifft? Dann hätte er allerdings ein ganze Reihe Rücktrittsgründe gehabt.

Unbestritten ist, dass Lafontaine die SPD zur Macht geführt hat, von 31 auf - immerhin - 40 Prozent. Er hat drei Jahre lang eine Rolle gespielt: die des Traditionalisten. Lafontaine, der lange vor Schröder ein Modernisierer war, der sich bereits Ende der achtziger Jahre mit den Gewerkschaften anlegte. Und damals war das noch gefährlich.

Als Vorsitzender disziplinierte Lafontaine sich und die Partei. Er diente - der SPD und dem Machterwerb. Er überließ Schröder die Kanzlerkandidatur. Und der wäre ohne die SPD und diesen Vorsitzenden nie Kanzler geworden. Er schloss eine Vereinbarung mit dem Kanzler. Und musste dann sehen, dass Schröder nur sich selbst treu blieb.

Ist Lafontaine vorzuwerfen, dass er Schröder vertraute? Wenn schon, dann ist ihm Naivität vorzuhalten. Als er seine Illusionen verlor, ging er. Das war folgerichtig. Und es war sogar, sozialdemokratisch gedacht, richtig: Er musste alles loslassen, weil Schröder sonst heute nicht mehr Kanzler wäre. Das Amt des Finanzministers hinwerfen und Parteivorsitzender bleiben konnte Lafontaine nicht. Er kann nicht die Politik des Kanzlers ablehnen, ihn aber als Parteichef unterstützen. Wäre er doch SPD-Vorsitzender geblieben, hätten alle auf den Entscheidungskampf gewartet. Als Minister und Parteichef weiterzumachen, das ging auch nicht, nicht contre coeur. Er musste im Gegenteil alles loslassen, um aller Ambitionen enthoben diesen Satz sagen zu können: dass es kein "Mannschaftsspiel" gegeben habe. Es war ein Satz, auf dessen pädagogische Wirkung er hoffte. Mehr nicht. War das schon zuviel?

Und wenn Lafontaine zum Abschied alles das gesagt hätte, was er jetzt schreibt? Dann wäre ihm dasselbe hinterhergerufen worden wie jetzt, und zwar von den Selben. Es sind immer Dieselben. Man muss nur einmal hören, wer sich jetzt distanziert.

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