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Politik: Der Schlüssel zum Irak Von Clemens Wergin

Auch wenn die Lage in Nadschaf unübersichtlich ist und die Kämpfe wieder aufgeflammt sind, so zeichnet sich doch eines ab: die Niederlage von Muktada al Sadr, dem jungen Geistlichen, der mit seiner MehdiMiliz den Aufstand geprobt hat. Er ist gegen die Amerikaner, gegen die irakische Zentralregierung und gegen die traditionelle Führung der irakischen Schiiten angetreten – und ist dabei, diese Auseinandersetzung zu verlieren.

Auch wenn die Lage in Nadschaf unübersichtlich ist und die Kämpfe wieder aufgeflammt sind, so zeichnet sich doch eines ab: die Niederlage von Muktada al Sadr, dem jungen Geistlichen, der mit seiner MehdiMiliz den Aufstand geprobt hat. Er ist gegen die Amerikaner, gegen die irakische Zentralregierung und gegen die traditionelle Führung der irakischen Schiiten angetreten – und ist dabei, diese Auseinandersetzung zu verlieren. Schon am Freitag haben viele seiner Kämpfer den heiligen Bezirk um die Moschee von Imam Ali verlassen. Nun scheint es nur noch um die Formalitäten für die Übergabe der Moschee an Vertreter von Großajatollah Ali al Sistani zu gehen, dem im Hintergrund wirkenden geistlichen Führer der Schiiten.

Gewalt, militärische zumal, ist nie schön. Es gibt aber Momente, in denen sie unausweichlich ist. Wie im Falle al Sadrs – auch wenn die US-Armee und Iraks Ministerpräsident mehr in diesen Machtkampf hineingeschlittert sind, als dass sie ihn gesucht hätten. Denn offenbar hatte eine neu in Nadschaf stationierte, mit den örtlichen Gegebenheiten nicht vertraute amerikanische Militäreinheit den Showdown mit al Sadr begonnen, ohne dass sie vom US-Oberkommando oder von der Übergangsregierung autorisiert gewesen wäre. Doch dieser Machtkampf stand ohnehin bevor. Deshalb konnte er ebenso gut gleich geführt werden.

Die Regierung Ijad Allawis hat den Konflikt mit erstaunlicher Härte durchgestanden. Noch beim letzten Aufstand der Mehdi-Miliz im Frühjahr hatten die US-Truppen am Ende einem Waffenstillstand zugestimmt und einzelne Städte damit faktisch al Sadr überlassen. Kurz vor der Machtübergabe an die Iraker waren die Amerikaner nicht bereit, das Risiko einer blutigen Erstürmung schiitischer Wohnviertel einzugehen. Jetzt, zwei Monate nach seiner Machtübernahme, hat Ijad Allawi ein Exempel statuiert. Er zeigt, dass er nicht zurückweicht. Nicht einmal vor den heiligen Stätten der Schiiten, die al Sadr zu Geiseln seiner eigenen politischen Ambitionen gemacht hatte. Das ist ein Signal an alle anderen Aufständischen: Die neue irakische Regierung ist gewillt, ihr Machtmonopol durchzusetzen. Mit einer Übergabe von Nadschaf ist al Sadrs Mehdi-Miliz zwar noch nicht besiegt, von all den anderen Milizen und Terrorgruppen, die im Irak ihr Unwesen treiben, ganz zu schweigen. Aber al Sadr wird an politischem Einfluss verlieren. Ein kleiner, aber wichtiger Erfolg für Regierungschef Allawi.

Die Lage im Irak ist auch deshalb so unübersichtlich, weil die Nachbarstaaten versuchen, die Ereignisse im Land zu beeinflussen. Al Sadrs Niedergang ist so auch eine Niederlage für den Iran, der als einer der Hauptsponsoren der Mehdi-Miliz gilt. Teheran will seinen Einfluss auf die schiitische Mehrheit im Irak vergrößern und verhindern, dass Nadschaf und Kerbela den eigenen heiligen Städten Kom und Maschhad den Rang ablaufen. Den Mullahs ist auch daran gelegen, al Sistani zu schwächen, der als Religionsgelehrter weitaus höheres Ansehen genießt als der iranische Revolutionsführer Ali Chamenei. Außerdem weiß man von Sistani, dass er den politisierten Islam nach iranischem Vorbild ablehnt. Ein funktionierender säkularer Irak würde so auch das Politikmodell Teherans in Frage stellen. Schon deshalb ist die Unterstützung von al Sadr nur einer von vielen Versuchen Teherans, Einfluss auszuüben. Die Mullahs werden auch weiter alles tun, Chaos im Irak zu säen und die Amerikaner zu schwächen.

Jetzt schon von einer Stabilisierung des Irak zu reden, wäre verfrüht. Aber Nadschaf könnte als Modell für eine stückweise Befriedung des Landes dienen: militärischer Druck der US-Truppen, gepaart mit dem Verhandlungsgeschick der irakischen Regierung, die weiß, mit wem man wie verhandeln muss. Sicher, ideologisch motivierte Terroristen vom Schlage Sarkawis lassen sich davon nicht beeindrucken. Aber wenn es Allawi gelänge, rebellierende Milizen, Banden, Baathisten und unzufriedene Stämme von der Gewalt abzubringen, wäre schon viel gewonnen.

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