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Politik: Der sichtbare Riss

Israel weiht diese Woche das erste Teilstück des Grenzzauns zum Westjordanland ein – gegen den Willen der USA

Von Charles A. Landsmann,

Tel Aviv

Der Zaun, die künftige Grenze, die Apartheidsmauer, die neue Berliner Mauer, das Ungeheuer, unser Todesurteil: Das, was Israel derzeit auf palästinensischem Westbank-Land errichtet, hat viele Namen. In dieser Woche soll das erste 117 Kilometer lange Teilstück eingeweiht werden. Nun hat US-Präsident George W. Bush den Grenzzaun in deutlichen Worten kritisiert: Der Sicherheitszaun sei ein Problem, sagte er nach einem Treffen mit Palästinenserpremier Machmud Abbas in Washington.

Israel verteidigte den Bau des Sperrwalls gegen die Kritik aus den USA. Der umstrittene Wall sei „eine Notwendigkeit, die von dem Gebot der Sicherheit diktiert wird“, sagte ein Mitglied der israelischen Regierung am Samstag der Nachrichtenagentur AFP. Die Abschottung habe „keine politische Bedeutung“, sondern solle lediglich palästinensische Anschläge in Israel verhindern. Dabei handele es sich „nicht um eine Art von Berliner Mauer“, wie die Palästinenser behaupteten, betonte der Regierungsvertreter.

Eigentlich soll der Bau des zweiten Teilstücks offiziell in den kommenden Tagen beginnen. Doch für die exakte Linienführung liegt keine amtliche Bestätigung vor, ja sie ist teilweise noch immer intern umstritten. Würde sich Israel an die „grüne Linie“ halten, die vom israelischen Unabhängigkeitskrieg 1948 bis zum Sechstagekrieg 1967 gültige Waffenstillstandslinie und inoffizielle Grenze, dann wäre dieses Teilstück nur 110 Kilometer lang. Doch worauf sich Ministerpräsident Ariel Scharon und Verteidigungsminister Schaul Mofas geeinigt haben, ist mit 210 Kilometern fast die doppelte Länge. Etliche, tief im palästinensischen Gebiet liegende Siedlungen sollen schließlich auf der „israelischen“ Seite, also westlich des Zaunes liegen.

Doch noch ist es nicht so weit. Der Finanzausschuss der Knesset lehnte gerade erst das persönliche Ersuchen von Regierungschef Scharon ab, 750 Millionen Shekel (rund 150 Millionen Euro) für den weiteren Bau des Zaunes zur Verfügung zu stellen. Die der nationalistischen Mehrheit in der Koalition und der Likud-Fraktion angehörenden Parlamentarier betonten, sie wollten zuerst die genaue Linienführung kennen und über sie mitentscheiden können.

Beobachter bezweifeln, dass der Zaun einzig und allein eine Sicherheitsmaßnahme sein soll. Die von Scharon vorgeschlagene Linienführung basiert auch auf politischen Überlegungen. Dazu kommen noch die von Siedlern eingebrachten Vorschläge. Würden der Zaun und die Mauern um die Städte Tulkarem und Kalkiliya nur nach Sicherheits-Kriterien erstellt, so würden sie meist exakt entlang der „grünen Linie“ entlang verlaufen.

Die Palästinenser fürchten, das der Zaun eine künftige Grenze vorwegnehmen und damit israelische Gebietsansprüche zementieren könnte. Sie fordern, den Bau des Zauns einzustellen. Doch Scharon kann es sich innerparteilich kaum leisten nachzugeben. Einen Sicherheitszaun forderte angesichts der Terrorwellen zuerst die parlamentarische Linke bis hinein in die Arbeitspartei, während die Rechte stur auf Nein schaltete. Je mehr Selbstmordattentäter – alle aus dem Westjordanland, keiner aus dem eingezäunten Gazastreifen – das Land erschütterten, desto weiter drang die Idee des Grenzzauns nach rechts vor. Bis schließlich der Verteidigungsminister Benjamin Ben-Elieser in der vorigen Regierung eine Mehrheit für den Bau fand. Seither wird mehr verzögert als gebaut: Die Rechte steht auf der Bremse. Die Linke beschuldigte die Regierung deshalb nach jedem Anschlag: „Wäre der Zaun termingerecht errichtet worden, würden wir jetzt nicht wieder an offenen Gräbern stehen.“

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