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Politik: Der Sieg ist eine Sachfrage

WOCHE DER VERMITTLUNG

Von StephanAndreas Casdorff

Wird das eine Woche. Jeder Tag steht im Zeichen des Vermittlungsverfahrens zwischen Bundestag und Bundesrat, was bedeutet: einer geordneten Problemlösung. Der Wille zum Fortschritt ist da schon ein guter Teil des Fortschritts selbst. Sage niemand, dass es keinen gäbe. Edmund Stoiber, Bayerns Regierungs- und CSU-Chef, bekundet für die Union lauthals Entgegenkommen. Immerhin. Darauf lässt sich etwas gründen: Hoffnung.

Die Woche der Vermittlung. Es geht um Milliarden Euro, um Steuererleichterungen für Millionen, um den Kampf gegen die Pleite der Städte und Gemeinden, um die Zukunft der Arbeit, um Kündigungsschutz und Handwerksordnung. In dieser Woche wird es nicht darum gehen, sich mit Worten zu bekriegen. Sieg oder Niederlage wird zu einer Sachfrage. Und alles ist eine Sache der Vermittlung: Ohne Kompromiss, ohne Ausgleich wird nichts geschaffen, was auch nur eine Halbwertzeit von einer halben Legislaturperiode hätte. Siehe die Steuerreform, die jetzt vorgezogen werden soll, damit sie sich in den noch folgenden Jahren mit oder ohne Gerhard Schröder segensreich auswirken kann. Es gibt nämlich wirklich Wichtigeres als ihn oder seine Partei. Oder die anderen, die von der Union.

Wer keine hinreichende Mehrheit in den Gesetzgebungsorganen zuwege bringt, hat die Vermittlung nötig. Die Entscheidung, ob eine Reform, die Steuerreform, kommt, fällt nicht mehr im SPD-geführten Kanzleramt oder auf Parteitagen, sondern im Vermittlungsausschuss, einem parlamentarischen Gremium. Der Ausschuss wird zum Machtzentrum der Republik. Vom Grundgesetz war das so nicht vorgesehen, aber das Gremium ist zwangsläufig dazu geworden. Hier werden Interessen vertreten, die der Länder, weniger die der Parteien. Drinnen, hinter geschlossenen Türen, muss es um wirkliche tragfähige Ergebnisse gehen, nicht um die Schlagzeile für einen Tag.

Schafft das Gremium keine Verständigung, wird es zum Ohnmachtszentrum. Freue sich niemand, wenn das passiert. Denn nötig ist, zum Wohl des Gemeinwesens – ja, so darf man es trotz allen Ökonomismus immer noch nennen – die Ziele und Mittel wieder in Übereinstimmung zu bringen, wenige klare Prioritäten zu erkennen, sie öffentlich zu begründen und konkrete Lösungen zu finden. Das hat übrigens einmal Gerhard Stoltenberg gesagt, der erste Finanzminister der Regierung Kohl, der zunächst eisern sparte und dann eine machbare Steuerreform auch wirklich machte. Eichel dürfte in dem Sinne ruhig sein Enkel sein.

Und natürlich ist schon eine ganze Menge geschafft, auch wenn manches öffentliche Gerede anderes suggeriert. Zum Beispiel in der Arbeitsgruppe Finanzen des Vermittlungsausschusses. Hier geschieht sowieso Erstaunliches: Wie die Experten berieten, soll es vom nächsten Jahr an für alle Sorten von Kapitalerträgen, ob Zinsen oder realisierte Kursgewinne oder Dividenden, eine gemeinsame Steuerregelung geben. Nun ist die Höhe noch festzulegen, und Eichel will sie bei niedrigen 25 Prozent fixieren. Der Union ist das zu niedrig – weil sie Steuergeschenke für Wohlhabende verhindern will. Man höre und staune. Da wird sich doch ein Kompromiss finden lassen, bei so viel Einigkeit im Grundsatz. Noch dazu in einer solchen Frage! Und nicht nur da.

Im Vermittlungsausschuss wird über Deutschlands Zukunft entschieden, erst in zweiter Linie darüber, wer das Land regiert. Von Kompromissen profitieren wir alle. Auch Union und SPD. Und gemeinsam werden sie feststellen, dass nach jedem Fortschritt und jedem Problem, das gelöst wird, neue auf uns alle zukommen. Das Vermittlungsverfahren ist da so etwas wie eine Politik der zweiten Chance.

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