zum Hauptinhalt

Politik: Der Sieger heißt Bertie

Wie der Kompromiss zur EU-Verfassung dank einer gewieften irischen Präsidentschaft gelang

Der Bundeskanzler und sein Außenminister wollten sich in dieser Nacht nicht die Laune verderben lassen. Nach der Einigung über die EU-Verfassung und einem entspannten Abend mit viel Fußball-Europameisterschaft fuhr die deutsche Delegation zufrieden vom Gipfel nach Hause. „Keine left-overs mehr“, sagte Joschka Fischer eindringlich. Das sind Themenfelder, auf die sich die Staats- und Regierungschefs bei Vertragsverhandlungen nicht einigen können. Seit vierzehn Jahren hat es keine Regierungskonferenz ohne diese Überbleibsel gegeben. Die Verträge von Amsterdam und Nizza weisen erhebliche Lücken auf. Verglichen mit ihrem Zustandekommen und verglichen mit dem Dezembergipfel war der Freitag deshalb ein großer Erfolg.

Ein Erfolg, der nicht zuletzt auf das Konto der europäischen Wähler geht. Spätestens nach dem Wahldesaster vor einer Woche waren alle Staats- und Regierungschefs zur Einigung über die Verfassung verurteilt. Zudem hat zwischenzeitlich in Spanien die Regierung gewechselt. So fand dieser Gipfel zum ersten Mal ohne massive Auseinandersetzung mit der Madrider Delegation statt. Die Wünsche des neuen spanischen Regierungschefs waren in die Mehrheitsformel „55Prozent der Staaten und 65 Prozent der Bevölkerung“ eingearbeitet. Dadurch wurde auch Polen schon vor dem Gipfel zum Einlenken gebracht.

Wesentlich ist das Ergebnis jedoch dem irischen Ratspräsidenten Bertie Ahern zu verdanken. „Ohne die Entschiedenheit, mit der die Präsidentschaft vorgegangen ist, wäre das Ergebnis nicht möglich gewesen“, lobte Schröder. Ahern gewann seine ausgeprägte Verhandlungserfahrung in den inneririschen Konflikten und verlor so auch angesichts der 25 alten und neuen EU-Regierungschefs nicht die Geduld. Vier Wochen lang war er vor dem Gipfel durch alle Hauptstädte gereist, um die Positionen zu klären. Am Freitag bestellte er fast alle Regierungschefs zum „Beichtstuhlverfahren“ ein und erreichte so, dass sein Kompromissvorschlag weit gehend durchgesetzt wurde.

Manchmal seien die Verhandlungen nur zentimeterweise vorangegangen, doch Ahern habe mit großer Zielstrebigkeit und ohne Krise weiterverhandelt, wird berichtet. Polen setzte zwar seine Forderung nach einem besonderen Minderheitenschutz durch. Doch dieser gilt nur bis 2014. Schröder kann auch damit leben, dass er nicht alles erreichte, was er sich vorstellen konnte. „Wenn die Vertreter des einen oder anderen Landes kommen und noch Wünsche haben, muss ich das ernst nehmen“, sagte er.

Als eindeutiger Sieger dieses Gipfels aber versteht sich Tony Blair. Bereits in der Vorlage Aherns waren seine Wünsche nach Einstimmigkeit im Steuer- und Sozialrecht sowie in der Außen- und Sicherheitspolitik aufgegriffen worden. Der Brite brauchte also nicht zu kämpfen. Doch nicht nur in diesem Punkten sieht er die britischen Interessen gestärkt. „Die Gruppe derer, die keinen nationalen Superstaat wollen, ist größer geworden. Das werden die anderen jetzt realisieren müssen“, sagte Blair an die Vertreter Deutschlands und Frankreichs gewandt.

Mariele Schulze Berndt[Brüssel]

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false