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Politik: Der Sinneswandler

Schröders Kritik an Bush verstimmt die Opposition / Sorge um transatlantische Beziehungen

Von Hans Monath

Berlin - Der Kanzler gab sich Mühe, als verantwortungsbewusster Staatsmann aufzutreten, dem die innenpolitischen Versuchungen des Wahlkampfs gänzlich fremd sind. „Ich glaube, niemand denkt zurzeit über eine militärische Auseinandersetzung nach. Und deswegen sollte man das auch niemandem unterstellen, indem man auf eine hypothetische Frage antwortet“, sagte Gerhard Schröder am Sonntag vor einer Woche sichtlich gut gelaunt im „Bericht aus Berlin“ dem ARD- Journalisten Thomas Roth. Der hatte nur wissen wollen, ob Schröders Festlegung, wonach Deutschland keine Soldaten in den Irak schicke, auch für den Atomkonflikt mit Iran gelte.

Die gleiche Frage, die der Kanzler vor einer Woche noch als hypothetisch zurückgewiesen hatte, machte er nur sechs Tage später selbst zum Wahlkampfthema. Beim Auftakt für die heiße Phase des SPD- Wahlkampfs in Hannover mahnte Schröder, „die militärischen Optionen“ vom Tisch zu nehmen. Den Namen George W. Bush sprach er zwar nicht aus. Doch die dankbar applaudierenden Zuhörer wussten ebenso gut, wer gemeint war, wie der Rest der Republik.

Ein einziges Zitat des US-Präsidenten genügte offenbar, um Schröders Sinneswandel herbeizuführen. Im ARD-Interview hatte der Kanzler noch davor gewarnt, dem Partner in Washington militärische Pläne zu „unterstellen“. Doch am Freitagabend sagte Bush dem israelischen Fernsehen, alle Optionen lägen auf dem Tisch. Der Kanzler reagierte lautstark, obwohl Bush diese Meinung auch zuvor schon vertreten hatte. Dabei sehen Beobachter in Washington so wenig wie die Außenpolitiker der Opposition in Deutschland Anhaltspunkte dafür, dass die Amerikaner angesichts des Irak-Desasters noch einen zweiten Krieg anstreben. Umso unglücklicher sind die Wahlkämpfer der deutschen Opposition über den Zeitpunkt von Bushs neuer Drohung. Der Präsident könne „kein Argument dafür liefern, dass es eine militärische Option geben wird“, sagt etwa FDP-Außenpolitiker Hoyer.

Gegen die Vermutung, dem Wahlkämpfer Schröder sei wegen des Bush-Zitats eben mal die Hutschnur geplatzt, spricht auch die Tatsache, dass der Kanzler im sorgfältig abgestimmten Interview unter anderen mit der in den neuen Ländern gelesenen „Super Illu“ seine Warnung noch verschärfte. Die neue Linkspartei, die das als Angebot Schröders an das gemeinsame Wählerpotenzial deutet, reagierte umgehend und versuchte, Schröders Image als Friedensfürst zu demolieren. „Das deutsche KSK kämpft mit fragwürdigem Auftrag in Afghanistan, im Kosovo muss die Bundeswehr die Folgen ihres völkerrechtswidrigen Krieges bewältigen“, erklärte Parteichef Lothar Bisky. In der „Bild am Sonntag“ wies der Kanzler auch darauf hin, bei einer Eskalation des Konflikts werde der in diesem Jahr bereits um 50 Prozent gestiegene Ölpreis weiter klettern – mit schlimmen Folgen für die deutsche Wirtschaft.

Gegen die Wirksamkeit von Schröders neuem Thema spricht der Umstand, dass die Mehrheit der Deutschen anders als 2002 offenbar noch keine Angst vor einem neuen Krieg im Mittleren Osten umtreibt. Noch offen ist auch, ob die neue Botschaft nach Washington politische Folgen jenseits des deutschen Wahlkampfs zeitigt. Die Hinweise der bürgerlichen Opposition auf einen möglichen außenpolitischem Schaden scheinen zumindest plausibel. So warnt FDP-Fraktionsvize Werner Hoyer, der im heiklen Konflikt mit Iran notwendige enge Abstimmungsprozess zwischen den westlichen Regierungen werde „durch Schröder und Bush erschwert“.

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