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Politik: Der Staat ist eine Baustelle

Die Präsidentschaftswahl in Afghanistan markiert das Ende des 2001 in Bonn vereinbarten Friedensprozesses. Doch es gibt noch viel zu tun.

Die Präsidentschaftswahl in Afghanistan markiert das Ende des 2001 in Bonn vereinbarten Friedensprozesses. Doch es gibt noch viel zu tun. Von einer Demokratie nach westlichem Verständnis ist das Land weit entfernt, die Sicherheitslage bleibt angespannt, und auch der Wiederaufbau läuft nur schleppend.

Demokratie mit Defiziten

Am Samstag wählen die Afghanen zwar zum ersten Mal in ihrer Geschichte ein Staatsoberhaupt, doch ursprünglich sollten sie an diesem Tag auch Abgeordnete für ein neues Parlament bestimmen. Die Volksvertreter sollen nun jedoch erst im Frühjahr 2005 gewählt werden. Der Grund: Der organisatorische Aufwand für diese Abstimmung wäre weit größer gewesen als der für die Präsidentschaftswahl. Allein die Festlegung der Wahlkreise hätte viel Zeit erfordert. Doch es gibt auch Kritik an der Entscheidung. „Die neue Verfassung schreibt ausdrücklich fest, dass alles versucht werden muss, um beide Wahlen gemeinsam abzuhalten“, heißt es in einem Bericht einer Expertenkommission des National Democratic Institutes, einer politischen Stiftung, die den USDemokraten nahe steht. Für die politische Entwicklung Afghanistans sei es „problematisch“, dass der künftige Präsident zunächst ohne eine demokratische Kontrollinstanz regieren könne.

Wiederaufbau im Schritttempo

Auf den ersten Blick wirkt die Bilanz des Wiederaufbaus beeindruckend. Mehrere Millionen Rückkehrer aus den Flüchtlingslagern der Nachbarländer wurden mit internationaler Hilfe mit dem Notwendigsten für den Neustart versorgt. Insgesamt 4,8 Millionen Kinder gehen heute in Afghanistan in die Schule, so viele wie nie zuvor. Bei den Mädchen stieg die Einschulungsrate in den vergangenen Jahren von praktisch null auf mehr als 30 Prozent, Tendenz steigend. Wichtige Verbindungsstraßen konnten erneuert werden, Krankenhäuser wurden wieder aufgebaut, Wasserleitungen repariert. Doch der Fortschritt bleibt bisher weit hinter den Erwartungen der Afghanen zurück, und er wird längst nicht überall sichtbar. Im Süden und Osten des Landes, wo der Krieg gegen die Taliban wieder aufgeflammt ist, gibt es kaum Aufbauprojekte. Ausländische Entwicklungsorganisationen haben sich nach Attentaten auf ihre Mitarbeiter aus diesen Gebieten zurückgezogen.

Der Mohn blüht wieder

Afghanische Politiker sprechen nur ungern über das Wirtschaftswachstum in ihrem Land. Denn es beruht zu einem Großteil auf illegalen Geschäften. Afghanistan hat sich die zweifelhafte Position des größten Opiumproduzenten zurückerobert. Zwei Drittel des weltweit gehandelten Opiums, dem Grundstoff für Heroin, stammten im vergangenen Jahr aus dem Land am Hindukusch. Die Taliban hatten den Drogenanbau Ende der neunziger Jahre auf Druck des Westens unter Strafe gestellt, nach dem Sturz des fundamentalistischen Regimes pflanzten die Bauern aber sofort wieder Mohn an. Und auch die Drogenmafia organisierte sich neu. Lokale Kriegsfürsten und sogar Regierungsmitglieder sollen in den Drogenhandel verstrickt sein. Alle Versuche, den Drogenanbau einzudämmen, schlugen bisher fehl. In diesem Jahr haben amerikanische, britische und afghanische Truppen erstmals Mohnfelder niedergebrannt. Von einer flächendeckenden Drogenbekämpfung kann aber noch nicht die Rede sein. uls

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