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Politik: Der Streit in der SPD um die Reformen wird leiser

Müntefering möchte reden / Grüner Ströbele: Wir wollen Schröder als Kanzler behalten / Union fordert Kompromiss im Bundesrat

Berlin (Tsp). Der SPDinterne Streit über die Sozialreformen entspannt sich. Angesichts des wachsenden Drucks aus der Partei- und Fraktionsspitze zeigten sich mehrere Abweichler am Dienstag erstmals gesprächsbereit. Ihr Wortführer Ottmar Schreiner äußerte sich nach einer kontroversen Fraktionssitzung zuversichtlich, dass bis zum SPD-Sonderparteitag am 1. Juni doch noch eine Einigung erzielt werden kann.

Die Fraktion kritisierte geschlossen das von zwölf Parlamentariern unterstützte Mitgliederbegehren gegen die Reformen der Regierung. Dieser Vorstoß sei eine „absolute Sauerei“, sagte Fraktionschef Franz Müntefering unter lang anhaltendem Applaus. Schreiner und die anderen Kritiker wurden aufgefordert, als „vertrauensbildende Maßnahme“ die Aktion unverzüglich zu stoppen.

Offensichtlich steht das Begehren aber mangels ausreichender Beteiligung ohnehin vor dem Scheitern. Das Büro des bayerischen Abgeordneten Florian Pronold teilte mit, es seien in drei Wochen etwa 6000 Unterschriften von SPD-Mitgliedern eingegangen. Notwendig sind rund 67 000.

In seiner Rede vor den Abgeordneten war Müntefering aber spürbar bemüht, den Gesprächsfaden zu den Reformgegnern nicht abreißen zu lassen. Er wies auf die noch ausstehenden Parlamentsberatungen über die Gesetze und die Möglichkeiten für Veränderungen in Einzelpunkten hin. Er sei überzeugt, dass „alle 251 Abgeordneten in die Geschichte“ eingehen wollten, appellierte Müntefering an den Zusammenhalt in der Fraktion. Die Reform-Kritiker wiesen die Vorwürfe wegen ihres Vorgehens als inakzeptabel zurück. Ein Mitgliederbegehren sei ein „legitimes Mittel“, sagte Schreiner. Nach seinen Worten darf sich die Fraktion nicht als „Erfüllungsgehilfe“ der Regierung verstehen. Einen Tag nach der zweiten Regionalkonferenz der SPD zu den Reformen forderte Juso-Chef Niels Annen von Parteichef Gerhard Schröder weiter Nachbesserungen. Selbst wenn der Kanzler dem Parteitag am 1. Juni ein zustimmendes Votum „abpresst, wird die Partei nicht inhaltlich hinter dieser Agenda stehen“, sagte Annen in Berlin.

Auch die grünen Reformkritiker haben offenbar zurückgesteckt. Nach einer Debatte in der Bundestagsfraktion der Grünen berichtete deren Chefin Karin Göring-Eckardt am Dienstag, die Abgeordneten stünden „gemeinsam hinter der Agenda 2010“. Zuvor hatte Bundesaußenminister Joschka Fischer die Grünen eindringlich vor einem Verlust ihrer Regierungsmacht gewarnt. Hans-Christian Ströbele sagte für die linken Kritiker der Fraktion: „Wir wollen die Koalition fortsetzen und den Kanzler behalten“. Die Agenda müsse aber noch sozial gerechter werden.

Die Union will ihre Mehrheit im Bundesrat nutzen, um die Bundesregierung zu weiter gehenden Reformen auf dem Arbeitsmarkt zu zwingen. Der parlamentarische Geschäftsführer der Unionsfraktion, Volker Kauder, kündigte am Dienstag in Berlin an, die Opposition wolle bei den Entscheidungen über die Agenda 2010 zustimmungspflichtige Vorschläge im Bundesrat nur unter der Voraussetzung billigen, dass Rot-Grün bei nicht zustimmungspflichtigen Vorschlägen Zugeständnisse mache. Kauder verwies auf die Zusammenlegung von Arbeitslosen- und Sozialhilfe, bei der die Länderkammer mitentscheiden kann, und auf die Lockerung des Kündigungsschutzes und die Bezugsdauer von Arbeitslosengeld, wo der Bundesrat nur ein aufschiebendes Einspruchsrecht hat.

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