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Politik: Der Takt kommt nicht vom Boss

Von Lorenz Maroldt

Klaus Wowereit ist ein Fan von Bruce Springsteen, nicht nur, weil der gegen George W. Bush in den Wahlkampf zieht, sondern vor allem wegen des Stücks „Waiting On A Sunny Day“ – ein Song für gute Laune in schlechten Zeiten, wie Berlins Regierender Bürgermeister gerade dem Sender RBB erklärte. Da wird Springsteen zurzeit viel singen müssen im Hause Wowereit.

Ein paar Anzeichen für schlechte Zeiten aus seiner Perspektive: Die Berliner SPD ist in einer Umfrage erstmals hinter die Grünen zurückgefallen, die PDS hat gleichgezogen, die FDP stabilisiert sich, die CDU ist weit weg – und zwar ganz vorne. Außerdem wird Wowereit die TempodromAffäre einfach nicht los. Am Montag musste Ex-Senator Peter Strieder vor dem Untersuchungsausschuss erscheinen, gegen Finanzsenator Sarrazin wird auch noch ermittelt. Zudem ist die eine große Aufgabe dieses Senats, die Haushaltssanierung, weitgehend eingeleitet und zum Teil schon vollzogen, ohne dass damit eine übergeordnete Idee verbunden worden wäre; die andere Aufgabe, der Mentalitätswechsel im Vergleich zum Diepgen-Senat, erschöpft sich in Details. Eines davon: Wowereit wirkt bereits nach drei Jahren des Regierens oft so dünnhäutig und genervt wie Diepgen nach zehn. So war das mit dem Mentalitätswechsel doch hoffentlich nicht gemeint.

Was noch kommen soll in Hälfte zwei dieser Amtszeit von Rot-Rot, ist unklar, wahrscheinlich selbst den Akteuren. Der Verdacht liegt nahe, dass bestenfalls das Bestehende weiterverwaltet wird, so einigermaßen, mehr scheint nicht drin zu sein, schon aus zeitlichen Gründen. Denn die Frage, was er nicht mag an seinem Leben, hat Wowereit vor kurzem in einem Fragebogen so beantwortet: „Die Hektik und dass ich oft fremdbestimmt bin.“ Wer da heimlich regiert, wenn es nicht Wowereit ist, wäre schon interessant zu erfahren.

Bemerkenswert ist, dass sich die Menschen von den Berliner Sozialdemokraten vor allem irritiert und gelangweilt abwenden, nicht etwa empört, womit angesichts der durchaus spürbaren Sparpolitik zu rechnen gewesen wäre. Irritiert, weil zum Beispiel der Fall Tempodrom, bei dem es für Berliner Verhältnisse um relativ wenig Geld geht, von der SPD einerseits als rein juristische Abwehrschlacht organisiert, andererseits in unschöner Tradition als quasi unvermeidbarer Politikunfall abgetan wird, wie damals die Affäre um die Bankgesellschaft. Gelangweilt, weil zum Beispiel der Reiz einiger neu angesiedelter Musikunternehmen sich in deren eigener Krise abgestumpft hat, aber keine neuen Töne zu hören sind, nicht einmal Dissonanzen. Die Offenbarung Wowereits, dass er seit seiner Jugend von „Nights In White Satin“ schwärmt, hilft hier nicht weiter, wenngleich es zur Lage passt. Dass von alledem Oppositionsparteien profitieren, deren Spitzenleute vielen unbekannt sind und die oft widersprüchlich handeln, mag zwar ein wenig ungerecht sein, ist aber politisch folgerichtig.

Seltsam mutet auch an, wie entschlossen Wowereit einerseits Oskar Lafontaine den Austritt aus der SPD nahe legt, der PDS aber andererseits nicht den Austritt aus dem Senat. Mindestens eine schöne Koalitionskrise dürfte man doch wohl schon noch erwarten, wenn die PDS auf Montagsdemonstrationen scheinheilig-fröhlich gegen die von Wowereit unterstützte Reformpolitik der Bundesregierung zu Felde zieht, während ihre eigenen Senatoren an deren möglichst reibungsloser Umsetzung arbeiten. Alles ganz normal?

Was Wowereit mag an Berlin: die Weltoffenheit. Was er nicht mag: die Weinerlichkeit. Wie also regiert man eine larmoyante Metropole? Jedenfalls nicht nach einer Empfehlung von Springsteen: Harte Zeiten, Baby, erlebt jeder von uns mal. Das wird schon wieder. Also – waiting on a sunny day? Das ist für eine Stadt wie Berlin zu fatalistisch, und gute Laune allein hilft nicht weiter.

Vielleicht versucht es Wowereit mal mit den Stones. Muss ja nicht gleich Street Fighting Man sein, obwohl auch das hier gut passte. Wie wäre es mit: Start Me Up?

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