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Politik: Der treueste Verbündete geht

Umberto Bossi, Chef der Lega Nord, scheidet aus der Regierung Berlusconis aus. Der befürchtet nun eine schwere Koalitionskrise

Italiens Regierung findet nicht zur Ruhe. Kaum hat Ministerpräsident Silvio Berlusconi zwei seiner dauernd nörgelnden Koalitionspartner wenigstens äußerlich besänftigt und auf ihr Drängen hin den Finanz- und Wirtschaftsminister Giulio Tremonti entlassen, da kommt ihm sein treuester Verbündeter abhanden: Umberto Bossi ist am Montag als „Minister für die Reformen“ und als Parlamentsabgeordneter zurückgetreten.

Formell zieht sich Bossi aus Rom zurück, weil er sein Mandat als Europaabgeordneter in Straßburg annehmen will. Auch wissen alle, dass der 62-Jährige gesundheitlich noch lange nicht in der Lage sein wird, sein Regierungsamt und die Parteiführung wieder aufzunehmen. Bossi hatte am 11. März einen Herzinfarkt, danach einen Hirnschlag erlitten und befindet sich seither im Spital. Erst vor wenigen Tagen musste er wegen neuer, unerwarteter Herzrhythmusstörungen aus einer Tessiner Rehabilitationsklinik ins Luganer Krankenhaus verlegt werden.

Dass dorthin am Samstag nicht nur Silvio Berlusconi, sondern am Sonntag auch die gesamte Führungsmannschaft der Lega Nord zum Krisentreffen gepilgert ist, zeigt an, dass von Bossis Rückzug im Zweifel auch schwer wiegende politische Folgen erwartet werden. Berlusconi soll ihn bestürmt haben, wenn irgend möglich Minister an seiner Seite zu bleiben, andernfalls einen Rücktritt mit einem persönlichen, auf gar keinen Fall aber mit einem politischen Anlass zu begründen.

In Berlusconis „Haus der Freiheiten“, in dem neben der Forza Italia des Ministerpräsidenten auch Christdemokraten, die rechtskonservative Alleanza Nazionale und die separatistische Lega Nord wohnen, ist nach der Schlappe bei den Europa- und Kommunalwahlen im Juni die Parole ausgegeben worden: Neuwahlen könnten nur schaden, Streitereien sollten auf den Wiederbeginn der Parlamentssaison im Herbst vertagt werden. In diesem Sinne haben sich auch die Minister und Staatssekretäre der Lega Nord am Montag in Mailand geäußert. Sie legten es nicht auf einen Sturz der Regierung an und blieben, trotz Bossis Rückzug, im Amt. Trotzdem hält die Lega Nord den Finger am Abzug. Sie fühlt sich in der Koalition „verraten und verkauft“ – durch die Entlassung von Finanzminister Tremonti und durch das Bestreben der Christdemokraten, die von der Lega zum politischen Hauptthema stilisierte Föderalisierung des Staates mit zahlreichen Änderungsanträgen abzuschwächen. Berlusconi konnte den Christdemokraten nur ein Stillhalten bis nach der Sommerpause abringen.

Unter den Regierungsparteien kann sich nach der Europawahl nur die Lega Nord als gestärkt ansehen; sie hat gegenüber der Parlamentswahl von 2001 um mehr als einen Punkt auf fünf Prozent zugelegt. Anders als 1994, als sie Berlusconis erste Regierung zu Fall brachte, ist die Lega dieses Mal allerdings nicht stark genug, um mit einem Rückzug die Mehrheit der Koalition im italienischen Parlament zu zerstören. Dieses könnten allerdings die Christdemokraten tun. Marco Follini, ihr Chef, hat am Montag jedoch beschlossen, sein Mandat im fernen EU-Parlament in Straßburg sausen zu lassen. Bossi geht, Follini bleibt – für Berlusconi eine doppelte Drohung.

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