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Politik: Der ungeliebte Bundespräsident - Warum sich Johannes Rau mit seinem Amt so schwer tut (Kommentar)

Kann jemand sich erinnern, dass im Deutschland der Nachkriegszeit je mit einem Staatsoberhaupt so umgegangen wurde wie zur Zeit? Ja, einen Präzedenzfall gibt es.

Kann jemand sich erinnern, dass im Deutschland der Nachkriegszeit je mit einem Staatsoberhaupt so umgegangen wurde wie zur Zeit? Ja, einen Präzedenzfall gibt es. Heinrich Lübke. Gezeichnet von schwerer Krankheit wurde der zweite Bundespräsident in seiner zweiten Amtsperiode zur Witzfigur. Davon ist Johannes Rau weit entfernt. Dennoch eint eins den Wuppertaler mit dem Sauerländer: Teile der Öffentlichkeit, insbesondere der veröffentlichten Meinung, und der Politik haben den Respekt vor dem ersten Repräsentanten des Landes verloren.

Woran liegt das? Da ist zum einen die "Flugaffäre". Als nordrhein-westfälischer Ministerpräsident hat Rau den Charterdienst der landeseigenen Bank genutzt, wie andere auch, darunter sein ehemaliger Finanzminister. Heinz Schleußer musste zurücktreten - aber nicht deshalb, sondern weil er gelogen hat. Legte man die Maßstäbe, mit denen jetzt etwa der CDU-Politiker Christian Wulff so flott hantiert, an andere an, wäre der halbe Berliner Senat fällig. Er ist nicht mit landeseigenem, sondern mit privat gesponsertem Fluggerät unterwegs gewesen.

Mit Rau wird strenger umgegangen als mit anderen. Zum einen hebt das hohe Ansehen des Amtes auch die Ansprüche an seinen Inhaber. Zum anderen droht die CDU im Sumpf einer Affäre zu versinken, die ihr der langjährige Übervater Helmut Kohl eingebrockt hat. Da ist den einen nach "Ausgewogenheit" zumute, den anderen nach Ablenkung von der eigenen Misere.

Aber das reicht nicht als Erklärung. Ausgerechnet Rau, den sie zu besten Zeiten einen "Menschenfischer" nannten, ist ein ungeliebter Präsident. Jedenfalls in weiten Teilen der Medien. Selbst viele von denen, die seinem Lager zuneigen, sahen im westdeutschen Berufspolitiker aus dem Urschleim der Bonner nicht den rechten Repräsentanten der Berliner Republik. Jünger hätte er sein sollen und/oder ein(e) Ostdeutsche(r). Den berühmten "Ruck" seines Vorgängers hätte er sich zum Programm machen sollen, nicht den Willen zum Ausgleich in einer durcheinandergeruckelten Gesellschaft. Diese Enttäuschung nährt die Respektlosigkeit.

Zu allem Überfluss ist Johannes Rau wirklich einer von gestern. Die Welt der schnellen Bilder scheint dem Mann des langsamen Wortes fremd, wenn nicht: zuwider. Zudem: Die nationale Bühne (nicht seiner Partei, sondern der gesamten Gesellschaft) erfordert eine andere Kommunikation als das "kleine Haus" eines Bundeslandes. Dort mochte er im Laufe einer Mammutamtsperiode, wenn nicht jedem Bürger, wenigstens jedem Honoratioren einmal die Hand geschüttelt haben. Im Bund? Unmöglich.

Auch im Bildersalat bleibt das Wort Medium des Präsidenten - das rechte zur rechten Zeit am rechten Platz. Doch die Konkurrenz ist größer geworden. Roman Herzog hat sich einen Medienmanager gehalten - mit Erfolg bis an den Rand der Peinlichkeit. Aber Präsident sein heißt: Symbolische Politik machen; und das mit kleineren Mitteln als ein Kanzler, der mal eben in dramatischer Aktion einen Konzern retten kann. Über "Inszenierung" die Nase rümpfen ist elitär, nicht volkstümlich. Johannes Rau sollte ein Mann des Wortes bleiben. Aber er muss das Volk erreichen; und das nicht nur zur Weihnachtszeit.

Thomas Kröter

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