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Politik: Der ungeliebte Gast

Von Sabine Heimgärtner, Paris Der amerikanische Präsident George W. Bush hat Frankreich als dritte Station seiner Europareise auserwählt und trifft dort auf ein ziemlich eisiges Klima.

Von Sabine Heimgärtner, Paris

Der amerikanische Präsident George W. Bush hat Frankreich als dritte Station seiner Europareise auserwählt und trifft dort auf ein ziemlich eisiges Klima. Die französisch-amerikanischen Beziehungen sind in den vergangenen Monaten auf einem historischen Tiefpunkt angelangt. Lang ist die Liste der Problemthemen zwischen Paris und Washington, die Meinungsverschiedenheiten ziehen sich quer durch alle Bereiche: Nahostkonflikt, Irak, Weltgerichtshof, Kyoto-Abkommen, Rolle der Vereinten Nationen, Konflikte in den Handels- und Agrarbeziehungen. Die Stimmung ist frostig, nicht nur zwischen den politisch Verantwortlichen. Die Mehrheit der Franzosen scheint gewillt zu sein, den Bush-Besuch weitgehend zu ignorieren. Mehr als 50 Prozent von ihnen stehen den USA und ihrem Regierungschef ablehnend gegenüber, 70 Prozent halten die Attentate vom 11. September für eine hausgemachte, ureigene Sache Amerikas. Die spontane Solidarität in den Tagen und Wochen nach den Anschlägen ist verflogen. Die Zeitung „Le Monde“ bezeichnete Bush vor wenigen Tagen als „neuen Welt-Messias“ und bezweifelte, ob Europa die „Heilsbotschaften aus Amerika“ überhaupt hören wolle.

Das schwierige Verhältnis hat seine Wurzeln in dem unbeirrbaren Glauben beider Staaten, als „Grande Nation“ kulturelle Weltmacht zu sein. Anders als andere europäische Staaten, ganz anders als Deutschland, glaubt Frankreich, den USA nichts zu „verdanken“, und hat früh angefangen, einen Schutzwall gegen alles Amerikanische aufzubauen. Zum Schutz der französischen Sprache gegen Anglizismen legte die Regierung einen Katalog mit eigenen Vokabeln vor. Der Computer heißt also „ordinateur“, und der Walkman ist ein „balladeur".

Die Fernseh- und Radioprogramme sind gesetzlich verpflichtet, mindestens 40 Prozent französische Produktionen zu senden, der staatlich geförderte Fernsehsender Canal Plus muss 70 Prozent seiner Einnahmen in die Produktion einheimischer Kinofilme investieren. Als der französische Topmanager Jean-Marie Messier seinen Konzern Vivendi mit dem kanadischen Unterhaltungsgiganten Seagram zusammenlegte und damit halb Hollywood aufkaufte, löste nicht das den Skandal aus, sondern die Tatsache, dass Messier mit seiner Großfamilie nach New York umzog und das Ende der „französischen Leitkultur“ verkündete.

Noch deutlicher wird der Antiamerikanismus der Franzosen bei ihrer Lieblingsbeschäftigung, dem Essen. Schon vor drei Jahren schrieb der Abgeordnete Francois Guillaume, Ex-Minister und Vorkämpfer der Bauernlobby: „Die totale Vergemeinschaftung im Zeichen der Modernität führt zwangsläufig zum totalen McDonald’s.“ Neue Nahrung erhielt der Kampf gegen amerikanisches Fast Food mit der Einführung von amerikanischen Strafzöllen auf französische Produkte wie Roquefort-Käse, Trüffel oder Gänseleberpastete als Reaktion auf die Weigerung Frankreichs, genbehandeltes Rindfleisch aus den USA ins Land zu lassen. Vorläufiger Höhepunkt: Nach der Erhöhung der Zölle auf europäische Stahleinfuhren um 30 Prozent versprach Bush seinen Landwirten eine Erhöhung der Agrarsubventionen um 73,5 Milliarden Dollar und brüskierte damit Frankreich als weltweit zweitgrößtes Exportland.

Der Kurzbesuch des amerikanischen Präsidenten wird kaum ausreichen, die Irritationen zwischen beiden Staaten auszuräumen. Frankreich will einseitige Entscheidungen der USA nicht mehr länger hinnehmen, vor allem nicht im Kampf gegen den Terrorismus. Die USA wiederum verlangen eine Korrektur der jüngsten Einschätzung des französischen Außenministeriums, die US-Außenpolitik sei „zu einfach gestrickt“ und hätte den islamischen Extremismus durch ihre uneingeschränkt pro-israelische Haltung selbst verursacht.

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